Page 84 - Spielfeld_Juli_2018
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Uwe Grün hat schon viele tolle, beeindruckende Spiele der Hoffenheimer erlebt: Das Aufstiegsspiel in die erste Bundes- liga mit dem 5:0 gegen Fürth im Mai 2008 hat er noch genau vor Augen. Das Dietmar-Hopp-Stadion oben in „Hoffe“ am Wald platzte aus allen Nähten. Dann folgte eine Hinserie der Saison 2008/09 wie im Rausch mit der Herbstmeisterschaft im Mannheimer Carl-Benz-Stadion, dann die Rückrunde im eigenen Stadion. Der Kampf gegen den Abstieg in Dortmund und die beiden Relegationsspielen gegen Kaiserslautern wurden 2013 auch für ihn zum Nervenkrieg. Und nun – fünf Jahre später – das: Jubel, Trubel, Heiterkeit, Konfetti aus Kanonen, Fans, die auf den Rasen drängen. "Ich war total überrascht, als die Leute auf den Platz stürmten und es plötzlich Konfetti regnete", beschreibt Grün die Szenen nach dem Schlusspfiff.
Grün ist nah dran an den Spielern, sieht wie Kevin Akpoguma auf die Knie sinkt und gedankenverloren in sich geht, er sieht Spieler weinen wie Nadiem Amiri, der wenige Minuten später sagen wird, dass sich „ein Kindheitstraum“ für ihn erfüllt hat. Auch Trainer Julian Nagelsmann hat Tränen in den Augen. Aber dann bringt das geordnete, friedliche Chaos auf dem Rasen den Fotografen um viele gute Bilder, denn als die TSG-Spieler von Fantrauben umzingelt werden, hat er keine guten Motive mehr. Er freut sich einfach mit. „Hoffe“ singt, lacht, tanzt – es ist ein einziger Freudentriumph. Aber Uwe Grün muss arbeiten, seine Fotos editieren, mit Titeln versehen. Er geht durch die Mixed Zone, wo die Journalisten die Interviews führen. Er hört, wie Sportdirektor Alexander Rosen in die Mikrofone spricht: „Für das, was hier passiert ist, fehlen mir fast die Superlative.“ Julian Nagelsmann erklärt: „Man muss immer mal wieder auf die Brust schauen, wie das Logo aussieht, was da steht – und dieser Klub ist Dritter in der Bundesliga. Das ist historisch und für diesen Verein wie eine Meisterschaft.“
Wenig später schallt aus der Hoffenheimer Kabine der „Eu- ropapokal“-Gesang. Grün sieht Dietmar Hopp in die Kabine gehen. „Das Erreichen der Champions-League-Gruppenphase ist das fünfte Wunder von Hoffenheim. Ich bin unglaublich stolz auf diesen kleinen, aber immer weiter wachsenden Verein und diesen Erfolg“, sagte der Mäzen, der an die schwierigen Phasen der Rückrunde erinnert. „Als wir noch vor einigen Wochen auf Rang neun standen, fehlte uns oft das Spielglück. Julian Nagelsmann hat im Anschluss eine Formel gefunden, um alles aus den Spielern herauszuholen.“ Neben Trainings- fleiß geben die vielen Einzelgespräche, in denen der Coach sein positives Denken auf die Spieler übertrug, den Ausschlag für den kaum noch für möglich gehaltenen Vorstoß in die Champions-League-Ränge. Selbst die vielen Verletzungsaus- fälle kompensiert das Team danach mit einer unglaublich guten Willensleistung.
„Für das,
was hier passiert ist, fehlen mir fast die Superlative.“ SPORTDIREKTOR ALEXANDER ROSEN
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Uwe Grün bearbeitet erste Fotos, während die Spieler vor den Medien das denkwürdige Ereignis und den Spielverlauf schildern. Der „Spielfilm“ hatte eine so besonders intensive Dramaturgie bekommen, weil Dortmund durch Marco Reus in der 58. Minute mit dem 1:1 die Führung von Andrej Kra- maric (26.) ausgleichen konnte und die Champions League plötzlich wieder am seidenen Faden hing. Pavel Kaderabek redet über die Strapazen, den Stress und dass die 90 Minuten nicht nur wegen der extremen Nervenanspannung, sondern auch wegen der Hitze zu einem Stahlbad wurde. „Diese Sonne in der ersten Halbzeit – ich war tot, ich war kaputt“, berichtet der Tscheche. Adam Szalai erzählt, wie er die Ju- bel-Ekstase der Fans empfand. „Wenn du die Leute siehst, die völlig ausrasten, ist das heute die größte Freude“, sagte der Ungar. Er sorgt auch für einen der besonders glücklichen Momente bei Uwe Grün – sozusagen berufsbedingt. Denn ihm gelingt beim 2:1-Treffer von Szalai in der 63. Minute eine ganz besondere Bilderserie. „Von der Position, wo ich bei den Spielen sitze, hatte ich alles genau vor der Linse, wie Adam dem Ball hinterher geht, mit einem Lupfer sein Tor schießt,




























































































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