Page 62 - Spielfeld_Juli_2018
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 BACKE, BACKE, TRAINER
Die TSG Hoffenheim steht nicht nur für begeisternden Offensivfußball. Der Klub legte mit seiner Pionierarbeit auch den Ursprung für eine revolutionäre Entwicklung auf dem Trainermarkt. Julian Nagelsmann als jüngster Coach der Bundesliga-Historie ist dabei der vorläufige Höhepunkt einer einzigartigen Erfolgsgeschichte, die auf Innovationskraft, Vertrauen und Mut gründet.
VON TOBIAS SCHÄCHTER
Xaver Zembrod erinnert sich noch sehr genau an seine Zeit bei der TSG Hoffenheim. Der mittlerweile 51-Jährige kam 2007 zur TSG und trat dort nach Stationen als Ausbilder beim DFB seine erste Stelle als Trainer bei einem Profiverein an. Damals spielte Hoffenheim in der zweiten Liga, ein Jahr zuvor waren Ralf Rangnick als Trainer, Jan Schindel- meiser als Manager und Bernhard Peters als Nachwuchschef in Hoffenheim engagiert worden, um den von Dietmar Hopp unterstützten Dorf klub schnellstmöglich in die Bundesliga zu führen. Vom „spannendsten Projekt im deutschen Fußball“ schrieb damals unter anderem der „Spiegel“.
Zembrod, der bis 2011 bei der TSG vier Jahre lang diverse Jugendmannschaften trainierte und als „Koordinator im Leistungsbereich“ der Akademie tätig war, erinnert sich an den anregenden Geist, der schon damals in Hoffenheim herrschte: „Der damalige Nachwuchschef Bernhard Peters war der große Antreiber. Er wollte, dass sich jeder Gedanken über die Nachwuchsförderung macht. Er trug das Wissen, das jeder aus seinen Fachgebieten mitbrachte, zusammen und schrieb es in einem „Lernzielkatalog und Leitfaden“ auf. Ihm war der strategische Ansatz bei der Ausbildung sehr wichtig. In Bezug auf die Arbeit mit den Mannschaften legte er beispielsweise großen Wert auf einheitliche Begriffe und Transparenz. Bern-
Herausragende Trainer aus der TSG-Schule: Julian Nagelsmann (r.) und Domenico Tedesco.
„Dietmar Hopp strahlte in Hoffenheim wie Jürgen Klinsmann beim DFB eine Innovationskraft aus, die der Fußball damals noch gar nicht so hatte.“
BERNHARD PETERS
hard war sehr fordernd, hat jede Woche AGs und Sitzungen abgehalten. Aber er war auch ein Teamplayer – absolut der richtige Mann.“ Heute assistiert Xaver Zembrod Cheftrainer Heiko Herrlich bei Bayer Leverkusen. Noch immer präge ihn die Zeit in Hoffenheim, sagt der in Pfullendorf geborene Trainer.
Bernhard Peters nennt Zembrod einen „Mitstreiter der ersten Stunde“. Als Peters bei der TSG einstieg, hatte er als Trainer der deutschen Hockey-Nationalmannschaft mehrere Weltmeister- schaften gewonnen. Sein Wechsel in Deutschlands aufgeregt begleitete Lieblingssportart wurde in der Fußballbranche kritisch beäugt. Peters‘ Ansatz war völlig neu: akademisch, innovativ und ganzheitlich. „Damals war die TSG Hoffenheim nur eine regionale, kleine Marke. Ich hatte dort das Glück, mit meinen Ideen offene Türen einzurennen. Und ich hatte das Glück, in Dietmar Hopp einen Chef und Vordenker zu haben, dem die Jugendausbildung sehr wichtig war. Hopp strahlte in Hoffenheim wie Jürgen Klinsmann beim DFB eine Innovationskraft aus, die der Fußball damals noch gar nicht so hatte. Er hatte den Mut, einen Quereinsteiger wie mich zu verpflichten“, erinnert sich Peters.
Als Jürgen Klinsmann 2004 Deutschlands Bundestrainer wurde, hätte dieser Bernhard Peters gerne als Sportdirektor zum DFB geholt. Einf lussreiche Kräfte im Verband und aus der Bundes- liga aber haben das verhindert. „Im Nachhinein“, sagt Peters heute, „war das mein Glück“. Und es war ein Segen für die TSG Hoffenheim. Denn unter Peters wurde in der Ausbildung im Nachwuchsbereich die Basis für den heutigen Erfolg der Klubs geschaffen. Die Idee, neben Spielern auch Trainer im eigenen Verein ausbilden und reifen zu lassen, klingt nahe- liegend. Aber als Peters in Hoffenheim antrat, war sie noch revolutionär. Die meisten Bundesligisten verfuhren in der Trainerauswahl jahrzehntelang nach dem gleichen Muster:
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