Page 40 - Spielfeld_Juni_2018
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„Meine Familie hatte nie viel Geld, ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich hier wie ein Angeber rüberkommen wür- de. Mir macht es mehr Spaß, mit ihnen zu teilen, als alles in meinen Lifestyle zu investieren. Zudem ist man so viel entspannter. Man muss nicht schauspielern, ich bin immer der Andrej von früher, das wissen und spüren alle.“ Kramarić genießt die Zeit bei Familie und Freunden, so oft es geht, fliegt er in den Pausen in die Heimat – natürlich nicht im Privatf lieger: „Täglich gehen vier Flieger von Frankfurt nach Zagreb. Nur, weil man genug Geld hat, sich besondere Dinge zu leisten, muss man es ja nicht tun. Solche Dinge sind für mich sinnlos.“
In Kroatien wird er trotz seiner bodenständigen Erscheinung häufiger erkannt und angesprochen als in Deutschland. Auf- grund seiner Leistungen bei der TSG ist er zu einem festen Bestandteil der Nationalmannschaft geworden. Pünktlich zur Weltmeisterschaft ist er in absoluter Top-Form, nachdem er in dieser Saison eine rätselhafte Serie von 18 Spielen ohne Tor hingelegt hatte. Doch die Krise ist längst überwunden und analysiert, die TSG-Fans freuen sich über regelmäßige „Höhenflüge“ des Stürmers – der seine Tore mit einem beeindruckenden Sprung feiert. Die Rückkehr der Treffsi- cherheit war nicht bloß für die TSG wichtig – vor allem für die Stimmung des Stürmers war sie von enormer Bedeutung: „Wen man als Stürmer keine Tore schießt, ist man selten gut gelaunt. Und das kann auch mal passieren, wenn die Mannschaft gewonnen hat. So ist das Stürmerleben und die Sehnsucht nach Toren macht einen Angreifer auch aus – alles andere wäre gelogen. Wenn man Chancen vergibt, ist man einfach sauer, vor allem auf sich selbst, denn ich will dem Team ja durch meine Tore helfen.“
Der Vorsatz gilt während der WM nun erst einmal für das kro- atische Nationalteam, das in Russland in den Gruppenspielen auf Argentinien, Island und Nigeria trifft. In der neuen Saison dürfen sich die TSG-Fans dann wieder auf Freudensprünge im Hoffenheimer Trikot freuen – und die Fortsetzung der gemeinsamen Erfolgsgeschichte, die als Abenteuer begann.
„WIE EIN BALL OHNE LUFT”
Im Hinspiel der Champions-League-Playoffs scheiterte Andrej Kramarić per in die Mitte gelupftem Elfmeter an Liverpool-Tor- hüter Simon Mignolet und vergab so die Führung. Kramarić ärgerte sich nachher in erster Linie über das verlorene mentale Duell: „Ich hatte einige Optionen, am Ende war nicht der Schuss, sondern die Psychologie entscheidend. Es war ein früher Zeitpunkt im Hinspiel, der Druck war für Mignolet noch nicht groß. Deshalb hatte er nichts zu verlieren und konnte pokern. Wäre es ein Finale gewesen, hätte er sich für eine Ecke entschieden. So konnte er es aber riskieren, stehen zu bleiben. Hätte ich in diesem Moment darüber nachgedacht, wäre es ein einfaches Tor gewesen. Es war ein mentales Duell, das habe ich verloren und das hat mich sehr geärgert – viel mehr als der Schuss selbst.“
Die 18 Spiele andauernde Torflaute hatte mit dem Fehlschuss nichts zu tun: „Ich hatte mehrere kleine Verletzungen und konnte nicht regelmäßig trainieren. Dazu kam der Stress wegen der unsicheren WM-Qualifikation mit Kroatien. Es lastete ein großer Druck auf mir, und mir hat die Energie gefehlt. Ich habe mich gefühlt wie ein Ball ohne Luft. Dann aber haben wir uns für Russland qualifiziert, ich konnte mich in der Winterpause erholen und mit der Energie kamen auch die Tore zurück.“
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Andrej Kramarić läßt Lukasz Piszczek keine Chance zum Eingreifen. Sein Schuss schlägt zum 1:0 im BVB-Tor ein.