Page 20 - Spielfeld_Juni_2018
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                Gab es weitere Faktoren für den späten Aufschwung?
„Die Belastungsverträglichkeit der Spieler ist ein wichtiger Punkt. Wir hatten lange Zeit viel zu viele verletzte Spieler und dadurch zu viele Wechsel in der Startelf. In der Rückrunde waren wir sehr stabil und hatten meistens neun Stammspieler, Wechsel gab es immer nur mal bedingt durch Sperren oder Verletzungen. Letztes Jahr hatten wir auch stets einen festen Stamm von sieben, acht Spielern, in dieser Hinrunde umfasste dieser aber nur noch vier. Das war zu viel für das instabile Konstrukt. Das ist auch ein Punkt für die neue Saison: Wir müssen Spieler finden, die nicht nur theoretisch, sondern wirklich alle drei Tage spielen können, weil zu viele Wechsel für uns eher kontraproduktiv sind.“
Wird der Kader in der neuen Saison deshalb breiter aufgestellt?
„Das ist eine Gratwanderung. Wir können nicht zwingend mit dem Weiterkommen nach der Gruppenphase planen, darum ist es eine Lotterie: Wenn man in der Vorrunde ausscheidet, hat man in der Rückserie nur noch ein Spiel pro Woche, aber fast 30 Spieler im Kader. Darunter
leidet auch die Trainingsquali-
tät. Mit 30 Leuten auf dem Platz
kommt jeder in der Spielform nur
drei Mal dran oder die Einheit
dauert drei Stunden. Das ist nicht
zielführend. Dann kommt es zudem darauf an, wie lange man als Trainer einen großen Teil unzufriedener Spieler managen kann. Und wenn man wie ich auf einen festen Stamm setzt, ist die Zahl unzufriedener Spieler natürlich noch höher. Das müssen wir bei unseren Planungen ebenso berücksichtigen wie die hohe Verletzungsanzahl in der vergangenen Saison und dann abwägen, wie weit wir ins Risiko gehen.“
Für die Trainingsgestaltung erhoffen Sie sich auch durch die Videowall große Vorteile während der Drei- fachbelastung.
„Sie wird uns sehr helfen, sie ist eines der genialsten Tools überhaupt. In dieser Saison kam sie für uns etwas zu spät. Ich verstehe gar nicht, warum da nicht früher einer draufgekom- men ist. Man muss die Spieler nicht immer von ihrer Position zum Spielfeldrand holen, um Dinge zu korrigieren. Dank der Videowall können wir auch ohne große Belastung Dinge auf dem Platz durchsprechen und taktische Abläufe trainieren, das ist gerade in den englischen Wochen ein großer Vorteil. Ein großes Problem des Menschen ist es, ob im Fußball oder anderswo, Dinge vom Computer oder von einer Tafel auf das reale Leben übertragen zu wollen. Wenn man sich aber auf dem Feld, also in den realen Räumen bewegt, fällt es viel leichter als durch Vorgaben in einem Raum an einer Tafel.“
Wie reagieren die Spieler auf das neue Hilfsmittel?
„Die Spieler finden es gut, sie sehen sofort, was mit den Anwei- sungen gemeint ist und die Trainingspausen für Korrekturen sind kürzer. Wenn man alle drei Tage spielt, hat man ja auch alle drei Tage Vor- und Nachbesprechungen. Dazu kommen die Kabinenansprachen vor den Spielen. Man redet die ganze Zeit, wenn das immer in den vier Wänden stattfindet, wird es für die Spieler irgendwann langweilig.“
Der Trainerjob hat sich nicht nur durch die immer neuen technischen Hilfsmittel verändert, auch die Trainer stehen durch die erhöhte Medienpräsenz an- dauernd im öffentlichen Fokus. Ist der Job fordernder als noch vor 20 Jahren?
„Durch die Sozialen Medien und die digitale Welt ist er sicher anspruchsvoller und intensiver geworden. Man hat ja auch eine ganz andere Präsenz als die Spieler. Jede Woche sitzt man auf den Pressekonferenzen, gibt noch zwei, drei Interviews und nach den Spielen auch nochmal für alle möglichen Medienpartner. Man kann den Job nicht mehr mit der Zeit
vor 20 Jahren vergleichen, das ist eine ganz andere Welt und schon sehr anspruchsvoll.“
Sie gelten als Vorreiter der
neuen, jungen Trainergenera- tion, wurden am Spielfeldrand auch schon mehrfach verbal attackiert und sogar mit einem Kaugummi
beworfen. Überrascht Sie das?
„Auf der einen Seite sind das ganz normale Emotionen am Spielfeldrand und auf der anderen Seite, da brauchen wir gar nichts schönzureden, ist die Bundesliga ein Haifischbe- cken. Da herrscht eine enorme Konkurrenz und es gibt nur eine begrenzte Anzahl an sonnigen Plätzen – sei es in der Tabelle oder auf den Trainerbänken. Wenn wir dann als TSG Hoffenheim erfolgreicher sind als Klubs, die sich eigentlich schon aufgrund ihrer Tradition vor uns sehen, steigt die Zahl der Kritiker. Und dazu kommen dann noch persönliche Machtkämpfe. Es gibt ein enormes Konkurrenzdenken, man gönnt sich während des Spiels ja nichts.“
Nehmen Sie das persönlich?
„Bei mir kommt sicherlich noch hinzu, dass sich wohl manch einer denkt: Jetzt hat der junge Typ da auch noch Erfolg, was will der eigentlich. Das ist aber ganz normal, jeder versucht ja im Business zu bleiben und das möglichst erfolgreich. Da herrscht ein unfassbarer Druck, der ist nicht immer für alle leicht auszuhalten. Da passieren dann auch mal solche Dinge. Dass es dreimal in den zwei Jahren passiert, kommt nicht von ganz ungefähr, das muss man schon ehrlich so einord- nen, aber auch nicht zu hoch hängen. Auch deshalb ist die Freude nach der erfolgreichen Saison groß, denn ich denke, die TSG als Klub und ich als Trainer konnten die Vorurteile widerlegen.“
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„Da herrscht ein unfassbarer Druck, der ist nicht für alle immer leicht auszuhalten.“










































































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