Page 66 - Spielfeld_März_2018
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 Der 14-Jährige spielt schon seit dem vierten Lebensjahr bei der TSG und ist der erste gebürtige Hoffenheimer, der es bis in die U15 geschafft hat. „Der Traum Profi zu werden ist sehr groß“, erklärt er. Aber die Eltern lassen es nicht zu, dass er sich Flausen in den Kopf setzt und ausschließlich schon an den großen Fußball denkt. „Ich kann mich auch schwer verletzen. Dann geht es vielleicht gar nicht weiter. Habe ich dann keinen anständigen Schulabschluss, werde ich keine großen Chancen haben“, sagt Luka Duric, der in Sinsheim in die 9. Klasse des Wilhelmi-Gymnasiums geht. „Die TSG hat eine sehr gute Aus- bildung, sie ist wirklich einmalig, aber trotzdem können nur wenige Junioren Profi werden. Auch in dieser Generation wird das so sein. Das muss man den Jungen vor Augen halten“, sagt Neso Duric. Dabei trägt sein Sohn – nicht nur wegen seiner bisher sieben Saisontreffer – viel dazu bei, dass die U15 in dieser Spielzeit so überzeugend auftrumpft wie noch kein anderes TSG-Team gleichen Alters.
Von der F-Jugend, wo er zwei Jahre jünger war als die anderen, über das Kinderperspektivteam sowie ab der U12 in der Aka- demie hat Luka alle Mannschaften der TSG durchlaufen und sich mittlerweile als Zehner oder auf der linken Außenbahn profiliert. Neso Duric will auf keinen Fall den Ehrgeiz seines Sohnes bremsen. Er hat nur am eigenen Leib erfahren, dass die Hoffnungen auf eine Profikarriere ganz schnell platzen können. Er selbst stand ab 1990 als Profi des Zweitligisten Iskra Bugojno auf dem Sprung in die Beletage, dorthin, wo sein Lieblingsverein, der jugoslawische Top-Klub Roter Stern Belgrad, spielte. Aber dann zerstörte der Bosnien-Krieg, der von 1992 bis Ende 1995 fast 100.000 Todesopfer forderte, alle Ambitionen. Nebojsa Duric flüchtete wie viele andere nach Deutschland. Auch Ermin Bičakčić befand sich damals als Kleinkind im Treck der bosnischen Flüchtlinge und landete in Möckmühl nahe Heilbronn.
Zuerst kam Duric in Sinsheim unter, wo die Schwester seines Schwagers mit ihrem Mann lebte. Sein Traum der Profi-Karriere war jäh zerstört worden. „Er erzählt manchmal davon, von Roter Stern und so, aber es hat ja nicht geklappt“, sagt Luka Duric. Sein Vater, der aus Jajce in Zentralbosnien, einem der sechs Teilrepubliken des damals noch bestehenden Jugoslawien stammt, begann ein neues Leben im Kraichgau. Alles wendete sich für ihn nach und nach zum Guten. In dieser Saison feiert er sein 25-jähriges Hoffe-Jubiläum. In einem Vierteljahrhundert sind die Duric‘ zu einer echten TSG-Familie geworden. Mutter Mirjana arbeitet im Trainingszentrum in Zuzenhausen in der
Auch Mirjana Duric hat ein Herz für die TSG.
Wäscherei, Vater Neso Duric ist Hausmeister und Greenkeeper im Dietmar-Hopp-Stadion in Hoffenheim, dem Wohnort der Familie, zu der auch Sara (21) und Jana (17) gehören.
Dank an Dietmar Hopp
Luka Duric hat ganz offenbar das Talent seines Vaters geerbt. „Von meinem Vater habe ich mir einiges abgeschaut, seine Technik, seinen Schuss“, sagt der Junge. Er eifert Cristiano Ronaldo nach und hält es deswegen auch mit Real Madrid. Doch auch Niklas Süle und Philipp Ochs, die sich von der U15 bis zu den Hoffenheimer Profis hocharbeiteten, dienen ihm als Vorbild. Er kennt fußballerisch nichts anderes als die TSG. Neso Duric ist sie erst langsam ans Herz gewachsen. Als er nach Deutschland kam, spielte er zunächst beim SV Sinsheim, dann beim Oberligisten VfB Leimen. Mit seiner Klasse machte er sich im Rhein-Neckar-Kreis schnell einen Namen. Peter Hofmann wurde auf ihn aufmerksam. Der TSG-Präsident lotste den damals 26 Jahre alten Kriegsflüchtling nach Hoffenheim, wo er noch sieben Jahre für die erste Mannschaft spielte und später fünf weitere Jahre in der zweiten dranhängte. 2004 „schenkte“ ihm der damalige Trainer Hansi Flick sogar noch einen Einsatz im Regionalliga-Team. Da war Luka ein Jahr alt. Heute kennt der Sohn die alte Heimat seiner Eltern aus regelmäßigen Urlauben während der Ferien.
1997 wäre die Beziehung der Duric-Familie zur TSG fast beendet worden, denn sie hätte eigentlich wieder ausreisen müssen. Neso Duric wandte sich an Dietmar Hopp, daraufhin wurde er als Trainer eingestellt und durfte bleiben. „Ich bin Dietmar Hopp sehr dankbar, dass er geholfen hat. Der Krieg war zwar vorbei, aber aus meiner Heimatstadt waren alle Serben vertrieben worden.“ Er machte den Trainerschein, war unter anderem Co-Trainer bei Roland Dickgießer und später unter Markus Gisdol in der U23. 1999 begann auch seine Tätigkeit als Green- keeper im Dietmar-Hopp-Stadion. Nebenbei trainiert er noch den A-Ligisten SV Daisbach. Die Duric-Familie ist in der Region fest verwurzelt. Luka, das große U15-Talent und „waschechter“ Hoffenheimer, wird wieder an die bewegte Lebensgeschichte seines Vaters erinnert, als dieser sagt: „Ich lebe schon länger in Hoffenheim als früher in Jajce. Das hier ist meine Heimat.“
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Echte Heimat: Neso und Luka Duric im Dietmar-Hopp-Stadion.

























































































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