Page 65 - Spielfeld_Januar_2018
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 SPIELFELD TSG HOFFENHEIM
 Einen Augenblick der Ruhe gönnt sich Oliver Roggisch dann doch. Etwas abseits, im eher unaufgeregten, ge- mächlichen Ostfriesland. In Emden, der Heimat seiner
Frau Janka, begeht der Sportliche Leiter der Rhein-Neckar Löwen den Jahreswechsel. Der 39-Jährige kann auf ein großartiges Jahr zurückblicken. Im Frühjahr verteidigten die Löwen den Deutschen Meistertitel – und mit dem jüngsten 37:23-Kan- tersieg gegen den Tabellenführer und Rivalen Füchse Berlin sicherte sich das Team von Trainer Nikolaj Jacobsen den Herbstmeistertitel. Oliver Roggisch hätte also gute Gründe, mit einem wärmenden Grog in der Hand, den Moment zu genießen. Doch der gebürtige Schwarzwälder hat sich für ein Leben auf der Überholspur entschieden. Bereits Anfang Januar reist Roggisch zur Handball-EM nach Kroatien. Denn der frühere Nationalmannschafts-Kapitän ist seit 2014 parallel zu seinem Job bei den Löwen als Team-Manager der deutschen Nationalmannschaft tätig. Zwei Jobs, eine Leidenschaft.
„Ich bin ja einfach noch mal von Null auf Hundert in eine komplett andere Rolle gestartet“, sagt Roggisch rückblickend. Seit seinem 17. Lebensjahr stand er in der Handball-Bundesliga auf der Platte, ehe er im Jahr 2014, im Alter von 35 Jahren, seine Karriere aufgrund zahlreicher Verletzungen beendete. „Es ist schon ein wahnsinniger Unterschied, ob Du Spieler bist oder plötzlich erst als Co-Trainer, dann als Sportlicher Leiter in der Verantwortung stehst. Da musste ich mich auch erstmal freischwimmen.“ Er schaffte, um im Bild zu bleiben, das Gold-Abzeichen im zweiten Versuch, erfüllte sich einen lang gehegten Traum. Mit den Löwen holte er 2016 den Deut- schen Meistertitel, den er 2014 in seiner Abschiedssaison beim denkwürdigen wie dramatischen Finale in Gummersbach nur um läppische zwei Tore verpasst hatte. „Die Titel im neuen Job waren dann natürlich Genugtuung“, sagt Roggisch. Und zudem Bestätigung, „dass ich alles richtig gemacht habe mit dem Schritt auf die Bank“.
Heute sei er „das Mädchen für alles“, was allein schon deshalb eine durchaus amüsante Formulierung ist, weil der 2,02-Meter- Hüne wie kaum ein anderer für den harten, zupackenden Männersport steht. Im Fußball galt für die beinharten Vor- stopper einst der Ausspruch: „Kein Mensch, kein Tier, die Nummer 4.“ Diesen Satz hätte man sonst für Oliver Roggisch erfinden müssen. Der liebevolle Vater eines 14-monatigen Sohnes hat sich in seiner aktiven Zeit einen Namen gemacht – als der wohl beste und härteste Abwehrspieler im Mittel- block weltweit. Sein Mantra: „Man muss sich opfern und Zweikämpfe suchen, von denen man schon vorher weiß, dass sie Schmerzen verursachen.“ Diesen sportlichen Masochismus beherrschte niemand so perfekt wie Oliver Roggisch, der Fels. „The Rogg“ nannten sie ihn – und der Abwehrchef führte das deutsche Nationalteam mit seinem unbändigen Willen zum WM-Titel 2007 im eigenen Land.
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