Page 90 - Spielfeld_Juni_2017
P. 90

WAS MACHT EIGENTLICH EIN SPIEL-ANALYST?
Wichtig für den Cheftrainer einer Bundesliga-Mannschaft ist das „Team hinter dem Team“ mit den Mitarbeitern wie Physiotherapeuten, Ärzten und Fitnesstrainern. Aber der engste Helfer von Julian Nagelsmann bei der TSG Hoffenheim neben den beiden Assistenten Alfred Schreuder und Matthias Kaltenbach ist Benjamin Glück. Seine Tätigkeit nennt sich Spiel-Analyst. Der 31-Jährige ist praktisch das zweite Augenpaar des Trainers.
Wie sieht die Arbeit von Benjamin Glück haupt- sächlich aus?
Er bereitet wichtige Informationen für den Cheftrainer auf. Eigentlich geht es immer um die beste Vorbereitung auf das nächste Spiel. „Mein Ziel ist, einen Beitrag zum Erfolg zu leisten“, sagt Glück. Er schneidet Videos mit Szenen aus den Spielen der TSG Hoffenheim zusammen, er fertigt Videos über den nächsten Gegner an, aber er filmt auch das Training des TSG-Profikaders. Aus allem zieht er die wichtigsten Situationen und macht daraus kleine Filme, die Nagelsmann praktisch als Lehrbeispiele in den Teambesprechungen vorführt. „Videositzun- gen“ heißen diese Stunden, die es bei der Nationalmannschaft ebenso gibt wie bei der TSG und anderen Klubs.
Wie wird man Spiel-Analyst? Wie ist Benjamin Glück an diesen seltenen Job gekommen?
Eine echte Ausbildung für diesen Beruf in der Bundesliga gibt es (noch) nicht. Mittlerweile aber gibt es zumindest entspre- chende Lehrgänge, etwa an der Sporthochschule Köln und dem Institut für Fußballmanagement in München. Man muss vor allem großes Interesse am Fußball haben und gut mit Video-Hightech umgehen können. Benjamin Glück hat in Mün- chen Sport und Mathematik studiert und wollte eigentlich Lehrer werden. Zwischendurch bewarb er sich für ein fünfwöchiges Praktikum im Nachwuchsleistungszentrum der TSG. Das war vor sechs Jahren, als die Videotechnik für den Fußball noch in den Kinderschuhen steckte. 2012 beendete Glück in München sein Studium und hatte schon eine mehrmonatige Weltreise geplant, als ihn Alexander Rosen anrief, dass er nun bei den Profis im TSG-Trainingszentrum in Zuzenhausen sogar ein Praktikum über neun Monate machen könnte. Glück sagte die Weltreise ab, machte das Praktikum, bildete sich immer weiter auf dem neuen Fachgebiet und bekam eine Festanstellung. 2013/14 wurde er Spiel-Analyst bei der U19 und zum Leiter der Spielanalyse in der achtzehn99 AKADEMIE ernannt. Nach einem weiteren Jahr bei der U23 wechselte er 2015/16 unter Trainer Markus Gisdol zu den Profis. Nach Huub Stevens ist Nagelsmann nun der dritte Cheftrainer, dem er zuarbeitet. Ihn hat er auch schon bei den Junioren unterstützt.
Muss ein Spiel-Analyst selbst Fußball gespielt haben?
Sich in den geschickten Umgang mit der Videotechnik einzu- arbeiten, ist nur eine Seite des Jobs. Den Fußball, vor allem die verschiedenen Taktiken, Spielsysteme und Strategien, muss ein Spiel-Analyst auch gut kennen. Benjamin Glück hat beim SV Ohlstadt in Oberbayern in der Jugend und bei den Amateuren gespielt, ehe er wegen einer Verletzung auf hören musste. In seiner Hoffenheimer Zeit machte er dann noch den B-Trainerschein. „Ohne ein gutes Fußballverständnis kann man keine Spielanalysen machen“, sagt Glück.
 Seine Augen sehen mehr als andere: Benjamin Glück
90

























































































   88   89   90   91   92