Page 74 - Spielfeld_Juni_2017
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 Es ist schon ein Jahr her, dass er den Titelsong schrieb, in dem es heißt: „Lebe auf der Überholspur, doch komme niemals an.“ Giesinger sagt: „Schon komisch, das hat was von selbsterfüllen­ der Prophezeiung.“ Von Ankommen könne gerade keine Rede sein. „Ich lebe voll und ganz in diesem Musikzirkus. Das ist wie ein Film, der vor deinem geistigen Auge abläuft. Total surreal.“
Fremd ist ihm das Medieninteresse nicht: Vier Millionen Menschen sahen den Musiker im Schnitt jede Woche bei „The Voice of Germany“. Nach der Show wurde ein großes Label auf ihn aufmerksam. Ein Jahr lang arbeitete er an seinem Debütalbum, doch letztendlich wurde nichts daraus. Die Songs standen größtenteils, als sich Giesinger entschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Im Internet bewarb er sein Projekt, Unterstützer konnten für Gegenleistungen Geld spenden. Die sahen ganz unterschiedlich aus: Das Album, ein Tourticket, eine Gitarrenstunde oder ein Wohnzimmerkonzert. Ziel des Crowdfundings war es, inner­ halb von 30 Tagen 10.000 Euro zu sammeln. „Ich bin eher der Schisser, dachte erst, so viel Geld... das wird schwierig.“ Der Betrag war schon nach 24 Stunden erreicht, am Ende kamen 23.755 Euro zusammen. Und einige Wohnzimmerkonzerte. Alleine mit seiner Gitarre und einem kleinen Verstärker war Giesinger unterwegs – von Solothurn in der Schweiz bis Kiel. Sein intimster Auftritt war ein Konzert via Skype: „Nur zwei Mädels und ich vor dem PC. Schon schräg.“
Heute müssen einige seiner Konzerte in größere Hallen verlegt werden, die meisten sind ausverkauft. „Obwohl ich darauf ste­ he, in kleinen Clubs zu spielen, habe ich Bock, dass es immer größer wird.“ Als Jugendlicher träumte er davon, einmal vor tausenden Menschen auf der Hauptbühne von „Das Fest“ in Karlsruhe aufzutreten. Im vergangenen Sommer hat es geklappt, nachmittags. „Ich bin happy, aber jetzt habe ich auch Lust, dort mal um 21 Uhr zu spielen. Ich habe immer den Antrieb weiterzukommen. Du darfst einfach nicht stillstehen. Nur so wirst Du besser.“ Sein nächstes Ziel: „Rock am Ring, das Hurri­ cane­ oder das Southside­Festival. Das ist mein großer Traum.“
TERMIN
Max Giesinger und seine Band treten am 11. Juni um 18.30 Uhr beim Zeltfestival Rhein-Neckar auf dem Mannheimer Maimarktgelände
auf.
Sein Hit begleitete auch die deutsche Fußball-Nationalelf und bescherte ihm populäre Anhänger: Max Giesinger mit Bundestrainer Joachim Löw
Giesinger ist auf einem guten Weg. „Was in den letzten vier oder fünf Jahren passiert ist, kann kein Zufall gewesen sein. Es hat sich alles gefügt. All die Entscheidungen, die ich gefällt habe, haben mich rückblickend dahin geführt, wo ich jetzt gerade bin.“ Auch, wenn er nicht angekommen ist. „Manchmal renne ich den Dingen auch zu sehr hinterher und versuche sie zu erzwingen.“ Giesinger beginnt, den Refrain eines neuen Songs zu singen: „Die guten Tage strahlen und sie kommen dann, wenn wir uns wieder Zeit nehmen und uns Raum geben. Die Suche nach dem Sinn macht uns beinah blind, weil wir die Dinge, denen wir nachrennen, nicht erzwingen können.“
Das Album war eigentlich schon fertig, als sich Giesinger noch ein letztes Mal zum Schreiben hinsetzte. „Ich dachte: Komm, einen noch. Und wenn nichts passiert, ist auch alles easy. Ist ja schon alles da. In dem Moment habe ich richtig losgelassen. Und dann kam der Song.“ Sein Hit: „80 Millionen“.
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