Page 16 - Spielfeld_Juni_2017
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 Durch die Europapokalspiele wird es viele unvollständige Trainings- wochen geben, in denen die Rege- neration im Vordergrund stehen wird. Wie gehen Sie damit um? „Das ist schon eine große Umstellung für mich, weil ich sehr gern mit der Mannschaft trainiere und viele Dinge im Training einstudiere. Wir werden deshalb mehr mit Videos arbeiten müssen, virtuelle Realität anbieten. Regenerieren und taktische Abläufe las- sen sich im Training durchaus koppeln. Wenn wir nur regenerieren und spielen ist es für uns auf dem Niveau schwer. Das kann Bayern München vielleicht machen, weil sie eine unglaubliche Qualität der Einzelspieler haben, so weit sind wir aber nicht. Wir haben uns aber etwas überlegt. Wie es dann genau funktioniert, müssen wir sehen, wenn es soweit ist.“
Ist die psychologische Ebene manch- mal ohnehin wichtiger als die taktische?
„Ich finde schon, dass Freude und Be- reitschaft eines Spielers im Kopf entste- hen. Mit den Jungs richtig umzugehen, sie richtig zu behandeln, empathisch zu sein und sich auch in die Lage der Spieler versetzen zu können, ist wich- tig. Es gibt viele harte Entscheidungen, die mir aus menschlicher Sicht sehr schwerfallen. Es ist daher das Wich- tigste, dass du einen ordentlichen Draht zu den Spielern hast und es ein psychisches Fundament gibt, auf dem die Jungs ihre Lust und ihre Gier auf den Sport entwickeln. Die Langeweile ist ja auch ein Beziehungskiller und wenn es langweilig wird, kannst du
SPASS AN DEN TAKTIK-DUELLEN
das beste Training anbieten oder taktisch ein Supernerd sein, die Spieler saugen dann einfach nichts mehr auf. Dann ist es vorbei, dann kannst du als Trainer die Sachen packen und heimfahren.“
Haben Sie Umgangsformen innerhalb der Mannschaft festgelegt?
„Dass man sich per Handschlag begrüßt, ist relativ normal. Ich spreche immer von Empfehlungen, denn ich finde es kritisch, Spielern oder Menschen in dem Alter so viel vorzugeben. Die sind alle über 18 und müssen selber wissen, was gut, richtig und wichtig ist. Wir haben aber zum Beispiel schon gemeinschaft- liche Essenszeiten. Ansonsten sind es allgemeine Dinge wie Pünktlichkeit. Ich glaube, wenn du ein gutes Maß hast, gibst du den Spielern schon irgendwo eine Leitplanke vor, und wenn die Gruppe intakt ist, hast du mehr davon, wenn die Leitplanke etwas breiter ist. Ich bin keiner, der jedes Detail vorgibt, dann müs- sen aber auch die Typen dafür da sein. Wenn einer meint, er müsste immer über die Stränge schlagen, dann ist er vielleicht auch nicht der Richtige für den Typus Trainer, der ich sein will.“
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Als Bundesliga-Trainer ist Julian Nagelsmann stets mit Emotionen und Drucksituationen konfrontiert. Die größte Anspannung verspürt er dabei in den ersten Spielminuten. „Der spannendste Moment ist immer, wenn der Gegner es anders macht, als man es vorbereitet hat. Dann ist es eine Gratwanderung zwischen dem was du im Kopf hast und dem, was du der Mannschaft noch vor dem Spiel mitgegeben hast.“ Das taktische Duell mit dem gegnerischen Trainer fasziniert den Fußballlehrer: „Das sind die schönsten Momente, wenn die Gegner wochenlang eine Grundordnung spielen und du weißt genau, dass sie gegen uns etwas Anderes machen werden. Du bereitest dann etwas Anderes vor und es stimmt dann auch. Das ist cool. Aber es kommt auch nicht jede Woche vor.“ Stress verspürt er durch die wöchentlichen Taktik-Duelle nicht: „Es ist immer Anspannung, aber es ist nicht so, dass ich mir denke, was für ein brutaler Stress. In diesem Jahr ging es ja, anders als in der vorherigen Saison, um etwas Positives. Es ist schon stressig, aber nicht so, dass es mich erdrücken würde. Stress macht dich irgendwann krank – davon sollte man sich so gut wie möglich befreien.“


























































































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