Page 13 - Spielfeld_Juni_2017
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 sie skeptischer waren. Jetzt ist es auch so: Der Trainer ist das Zünglein an der Waage. Wenn die Vergütung bei Klubs auf ähnlichem Niveau ist, ist immer der Trainer der ausschlag- gebende Punkt. Es ist aber dieses Jahr insgesamt etwas kom- plizierter aufgrund der sportlichen Situation, da auch die Ansprüche von den Spielern an den Klub steigen, auch was das Finanzielle angeht. Trotz des internationalen Geschäfts machen wir keine großen Sprünge, weil wir den Stamm an Spielern haben, die eine gewisse Vergütung kassieren und da kannst du Neuzugänge nicht exorbitant anders bezahlen. Sonst kriegst du Unruhe im Kader. Es ist ja nicht so, dass jeder mit verschlossenem Mund durchs Leben geht. Da kommst du in Teufels Küche als Verein, wenn du es nicht einigermaßen auf einem ähnlichen Niveau hältst.“
Sie mussten also auch immer so verhandeln, dass es in der Gruppe passt?
„Die Gehaltsverhandlungen macht Alex (Sportdirektor Al- exander Rosen; d. Red.), damit habe ich wenig zu tun. Ich weiß auch gar nicht, wie viel meine Spieler verdienen. Das will ich auch gar nicht, weil dich das in deiner Bewertung auch ein Stück weit beeinflusst.“
Ballt man da innerlich die Faust, wenn so auf Zahlen rumgeritten wird? Als Trainer ist man ja schon eher Idealist und will sportlich den nächsten Schritt gehen. „Ich bin Realist und als Realist musst du schon sehen, dass sie nun einmal eine begrenzte Zeit haben, um mit diesem Job Geld zu verdienen. Und wenn sie bei Verein X in fünf Jahren zehn Millionen verdienen und bei Verein Y eben nur fünf, dann ist das verständlich. Was man immer wieder vergisst: In erster Linie ist das ein Beruf, und der ist in allererster Linie nun einmal dazu da, um Geld zu verdienen. Dann sind sie noch in einem Alter, in dem der Berufseinstieg nicht so ein- fach ist, da die meisten auch noch keine Ausbildung gemacht oder studiert haben. Mit Anfang oder Mitte 30 dann irgendwo in einen Job zu kommen, war vielleicht vor zwanzig Jahren noch leichter als heute.“
Sind Sie mit der bisherigen Kaderplanung zufrieden oder muss da noch etwas passieren?
„Da muss schon noch etwas passieren. Florian Grillitsch aus Bremen haben wir schon und bei zwei weiteren Spielern sind wir recht weit, da geht es nur noch um die abgebenden Ver- eine. Es ist auch ein Nachteil der späten Transferzeit, dass du nicht genau weißt, wer noch geht. Ich bin ein großer Freund davon, fünf, sechs neue Spieler zu holen, einfach weil neue Gesichter gut tun. Neue Spieler sind wissbegierig, saugen die Dinge auf und sorgen in der Gruppe auch noch einmal für Furore. Es ist immer gut in so einer Herde, wenn da frisches Blut reinkommt. Das war in der Natur schon immer so und das ist auf dem Fußballfeld auch so.“
Vor der vergangenen Saison hat das hervorragend funktioniert, die Neuen haben eingeschlagen. War es geplant, dass Kevin Vogt Abwehrchef wird?
„Geplant war er schon hauptsächlich für die Sechs, weil wir ursprünglich auch mehr im 4-3-3 spielen wollten.
GROSSES ÖFFENTLICHES INTERESSE
Julian Nagelsmann steht seit knapp 16 Monaten im Zentrum des öffentlichen Interesses. Manchmal ist der plötzliche Rummel um seine Person auch eine Bürde für den 29-Jährigen. „Es gibt große Einschnitte im Privatleben. Manchmal sprechen mich Leute darauf an, wie es ist, wenn man jeden Tag angesprochen wird, das müsse ja unglaublich nervig sein. Da wundere ich mich innerlich natürlich.“ Grundsätzlich ist er ein kommunikativer Typ – nur in privaten Situationen wünscht sich Nagelsmann etwas Rücksicht: „Ich habe nichts dagegen, wenn jemand kurz was zum Spiel sagt. Aber wenn ich mit meiner Frau und meinem Kleinen picknicke und sich jemand eine halbe Stunde neben mich setzt an meinem freien Sonntag, wünsche ich mir einfach ein wenig mehr Gespür für die Situation. Da bin ich dann Privatmann, der mit seinem Kind und seiner Frau frühstücken will.“ Für Nagelsmann ist es klar, dass solche Momente „zum Beruf dazugehören“ – wie auch die zahlreichen Wünsche nach Fotos. Daran hat er sich zwar gewöhnt, er weiß aber auch um die Fallhöhe: „Es ist gewöhnungsbedürftig. Befreit überall hingehen, kannst du halt nicht mehr, das ist schade, auch wenn alle total nett sind. Für denjenigen ist das nur ein Bild, für mich ist es halt eins von vielen an dem Tag. Darum sage ich mir oft, bevor ich aus dem Haus gehe: freundlich sein. Weil sonst einer sein Handy nimmt, das Bild postet und drunter schreibt: ‚Arroganter Scheißtrainer!‘ Das ist heute mit den sozialen Medien so, da kannst du mit einer falschen Antwort deinen Ruf kaputt machen, weil es sich tausendfach im Netz verbreitet.“ Unpassend findet Nagelsmann allerdings Fotowünsche, wenn er seinen Sohn auf dem Arm hält: „Dann habe ich keine Lust drauf und finde es auch grenzwertig. Ich will nicht, dass mein Kleiner irgendwo auf irgendwelchen Bildern ist.“ Rückmeldungen gibt es aber nicht nur von den Fans, sondern auch von der Familie, die den Trainer bei den Spielen auch mal kritisch beäugt – wie er augenzwinkernd zugibt: „Meine Schwiegermutter sagt immer, ich spreche zu schnell. Meine Mutter sagt, ich soll anders Kaugummi kauen und ich spreche zu schnell. Die hören halt beide vielleicht schon schlecht.“ (lacht)
Profis
  SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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