Page 78 - Spielfeld_Mai_2017
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15 JAHRE – 15 GESCHICHTEN
EHRGEIZIG, FRÖHLICH UND SELBSTSTÄNDIG
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er. So sieht er es. Andere sehen es anders. Der
sportliche, selbstbewusste junge Mann, geboren 1991 im beschaulichen Calw, sitzt entspannt auf dem Stuhl. Sein linker Arm fehlt, das fällt sofort auf. Dass er auch zwei Unterschenkelprothesen trägt, merkt man nicht.
Jochen Wiers Leben änderte sich vor sieben Jahren mit einem Unfall, an den er nicht die geringste Erinnerung hat. Zu diesem Zeitpunkt ist Jochen 18 Jahre alt und in der Abschlussphase seiner Ausbildung zum Konditor. Am 15. Mai 2010 will er einen lockeren Abend mit Freunden verbringen, vom Lernstress für die Prüfungen abschalten. Sie gehen in einen Club, sitzen gut gelaunt zusammen. Irgendwann ist Jochen verschwunden. Die Freunde wundern sich. Später wird sich herausstellen, dass jemand dem jungen Mann K.o.-Tropfen ins Getränk gemischt hat. Was dann passiert, ist nicht mehr zu re- konstruieren. Irgendwann wird Jochen auf dem Dach einer S-Bahn gefunden. Der Starkstrom hat ihn getroffen, er ist bewusstlos und lebensgefährlich verletzt. Beide Unterschenkel und der linke Arm werden amputiert.
Zum 15. Geburtstag von Anpfiff ins Leben e.V. hat SPIELFELD Personen interviewt, die eng mit der Organisation verbunden sind. Eine dieser Personen ist Jochen Wier. Der junge Mann ist arm- und beinamputiert, spielt Sitzvolleyball bei der Bewegungsförderung für Amputierte und absolviert eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement bei Anpfiff ins Leben. Ein weiteres Beispiel, wie die Sportförderung Perspektiven schafft.
6 Jochen Wier lächelt. „Mir fehlt nichts“, sagt
Die Narben der Verbrennungen am rechten Arm sieht man noch heute. Vier Tage liegt er im Koma. Monate im Krankenhaus folgen.
Zaghaft besuchen ihn Verwandte und Freunde – wie reagieren auf den schrecklichen Unfall, in dessen Folge Jochen schwerbehindert wurde? Doch Jochen verbreitet Zuversicht und ist sich sicher, dass er sein Leben meis- tern wird. Die Ausbildung zum Konditor schließt er ab – wohl wissend, dass er in dem Beruf nicht mehr arbeiten wird. Sein Arbeitgeber ermöglicht ihm den Abschluss. Bis heute backt Jochen gerne Kuchen und gestaltet Torten für Hochzeiten.
Dann kommt der Alltag. Vieles will man ihm abnehmen, doch Jochen Wier will alles alleine bewerkstelligen kön- nen. Nachdem er ein Praktikum beim Versorgungsamt in Stuttgart gemacht hat, zieht er zu Hause aus. Zusammen mit einem Freund lebt er in einer Wohngemeinschaft. Jochen ist froh über seine neugewonnene Selbstständig- keit. Auf die Frage, was ihm wichtig ist, antwortet er ohne Zögern: sportliche Aktivitäten, soziale Kontakte, gesunde Ernährung, Musik.
 Sportliche Aktivität gehört für Jochen Wier zum Leben.
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