Page 28 - Spielfeld_April_2017
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DER SCHATTENMANN
Alexander Stolz hat inzwischen mehr als 100 Bundesligaspiele – auf der Ersatzbank.
Doch der Torwart hadert nicht mit seinem Schicksal als Reservist, das seine Karriere prägt. Der 33-Jährige lebt Professionalität und Optimismus vor – und arbeitet weiter für den großen Moment.
Die Flüche hallen über den Trainingsplatz 3 in Zuzenhausen. „Mist, Dreck“, sind die harmloseren Ausdrücke. Alexander Stolz ist sauer. Vor allem auf sich selbst. Soeben hat der Torwart beim launigen Torschuss-Kick nach dem
Training einen, nun ja, haltbaren Distanzschuss kassiert. Ein Ball nach dem anderen rauscht auf den Kasten, der abwechselnd von Oliver Baumann und eben Stolz ge- hütet wird. Eigentlich geht es um nichts – aber für Alexander Stolz geht es immer um viel. „Wenn man im Training Vollgas gibt und sich pusht, dann haben alle was davon“, sagt der 33-Jährige eine Viertelstunde später. Abgekämpft, verschwitzt sitzt er da. „Ich brauche das, diesen Wettkampf mit dem Gegenüber.“ Auch im Training. „Manchmal ist es echt undankbar, wenn die Jungs nach dem Training dastehen und noch auf die Hütte ballern wollen, aber da opfert man sich dann“, sagt der gebürtige Pforzheimer. Er lächelt. Es ist seine Berufung.
Für Fußballprofis ist das Spiel am Samstag die Belohnung – für den Schweiß, die Monotonie, die Anstrengung, die Entbehrungen. Dieses Hochgefühl aber kennt der Hüne mit dem sanften Lächeln kaum. Gegen Bayer Leverkusen absolvierte Stolz am 18. März sein 100. Bundesligaspiel – als Ersatztorwart. Ein Schicksal, das verbittern könnte. Alexander Stolz aber schafft es, Leidenschaft für den Beruf und Optimismus nicht nur auszustrahlen, sondern vorzuleben. „Es ist mein persönlicher Anspruch im Training alles abzurufen, dass ich mit mir selber zufrieden bin, aber auch die Jungs
im Team wissen: ‚Okay, der Alex spielt zwar nicht, der ist aber präsent.‘ Das ist für mich das Entscheidende."
Ein einziges Bundesligaspiel steht bisher in der Vita des heute 33-Jährigen: Am 6. April 2014 kam Stolz im Spiel der TSG bei Hertha BSC zum Einsatz – in der 73. Minute wurde er für den verletzten Koen Casteels eingewechselt und hielt das 1:1 fest. Es war sein großer Moment. „Du bist froh und genießt es einfach, auf dem Platz zu stehen. Du willst gar nicht, dass das Spiel zu Ende geht.“ Es sind diese kleinen Augenblicke, die Stolz weiter antreiben, aus denen er so wahnsinnig viel Kraft zieht. Ziehen muss. Denn das sportliche Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, begleitet ihn wie ein Schatten. Beim VfB Stuttgart ging es ihm ähnlich – damals stand ein gewisser Jens Lehmann vor ihm. Im Juli 2008 aber ließ ihn VfB-Trainer Armin Veh im UI-Cup-Duell mit dem russischen No- Name-Klub Saturn Ramenskoe ins Tor. Für Stolz ist es neun Jahre später noch eine Art Erweckungserlebnis: „Armin Veh hat gesagt: ‚Alex, das hast du dir verdient, so wie du im Training gearbeitet hast.‘ Diese Bestätigung damals hat mir das Ganze hier vielleicht erst ermöglicht. Als Torwart Nummer zwei bist du ja immer hintendran. Das kann echt undankbar sein und daran zerbrechen mit Sicherheit auch viele. Aber als ich damals spielen durfte, hat mir das so viel Energie gegeben, weil ich wusste, ich muss weitermachen, das wird einfach belohnt.“
Stolz sagt Sätze, die bei anderen wie Plattitüden klingen würden oder bes- tenfalls wie gemeißelte Aussagen einer umtriebigen PR-Agentur – bei dem
  Vorbild und Lehrmeister: Nationalkeeper Jens Lehmann war Stolz' Konkurrent beim VfB Stuttgart.
Schon 2007 für die TSG am Ball: Alexander Stolz im Regionalliga-Spiel gegen Reutlingen.
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