Page 66 - Spielfeld_Maerz_2017
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SEHEN MIT FREMDEN AUGEN
Sie schildern das, was einige blinde oder stark sehbehinderte Fans nicht sehen können:
Die Geschwister Rebekka und David Wilke, die Blindenreporter der TSG Hoffenheim. Von der Pressetribüne übertragen sie wie Radioreporter live ihre Eindrücke in Block N der WIRSOL Rhein-Neckar-Arena, wo ihre Zuhörer sitzen.
 Mit Spaß und Engagement bei der Arbeit: Rebekka und David Wilke
„Ich bekomme das Spiel gut mit, ich weiß sehr genau, was auf dem Platz passiert.“
ENIS ORHAN
Enis Orhan weiß genau, von welcher Stelle Kerem Demirbay den Freistoß schießen wird. Der 24-Jährige aus Walldorf verfolgt das Bundes-
ligaspiel der TSG Hoffenheim gegen den SV Darmstadt 98 wie 29.000 andere Zuschauer im Stadion, aber es ist ein gravierend anderes Erlebnis. Denn der Psycho- logie-Student ist stark sehbehindert, seit Geburt. „Es ist zuletzt noch schlimmer geworden, weil ich auch Grauen Star bekommen habe“, sagt Enis, der im Alltag – wie er schildert – „ganz gut zurecht kommt“. Zum Darmstadt-Spiel ist er mit der S-Bahn gekommen und hat Ibrahim mitgebracht, den er bei seiner ehrenamt- lichen Arbeit in der Flüchtlingshilfe kennengelernt hat. Sie sitzen in Block B, Reihe 13. „Ich bekomme das Spiel gut mit, ich weiß sehr genau, was auf dem Platz passiert“, sagt Enis.
Rebekka (34) und David Wilke (32) schildern das Spielgeschehen nämlich so anschaulich, dass alle Blinden und Sehbehinderten bei den TSG-Heimspielen mitfiebern können. Dank den Geschwistern Wilke, den Blindenreportern der TSG Hoffenheim, können Enis und andere blinde und sehbehinderte Fans, da- runter auch welche aus Darmstadt, die Partie genau nachempfinden – mit den Augen zweier anderer, hilfsbereiter Menschen.
„Demirbay hat den Ball zehn Meter rechts vom Darm- städter Tor, in der Höhe des Strafraumecks hingelegt“, ruft Rebekka in ein Mikrofon. Rund 150 Meter entfernt, rechts neben der Südtribüne, nahe an den Hoffe-Stim- mungsfans, empfangen die Blinden die Reportage über einen Kopfhörer. Der Freistoß landet auf dem Kopf von Niklas Süle, doch die Darmstädter Abwehr schlägt den Ball in Richtung Mittellinie. Rebekka schildert möglich exakt, wie sich das Spiel entwickelt. „Wir geben sehr oft die genaue Position des Balles an. Im Fachjargon nennen wir das Verortung, damit unsere Nutzer sich vorstellen, was und wo passiert. Wir müssen möglichst nahe am Spiel bleiben“, erklärt Rebekka.
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