Page 68 - Spielfeld_Februar_2017
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                JÄGER DES GETRAGENEN SCHATZES
Fußballverrückter geht es nicht: Wenn Thomas Zachler nicht für die TSG als Fanbus-Begleiter unterwegs ist, besucht er weltweit Stadien und sammelt Souvenirs. Seine größte Leidenschaft gilt den Trikots – wenn es darum geht, wird der Polizeioberkommissar zum „Hochstapler“.
Langsam wird es eng in Thomas Zachlers Fußballzim­ mer. In seinem Schrank stapeln sich 375 Trikots, ganz oben knapp 90 seines Vereins: der TSG Hoffenheim.
„Ich muss schauen, wo ich die nächsten unterbekomme“, sagt der 55­Jährige aus Edingen­Neckarhausen. Er blickt auf eine komplette Regalwand voll mit Hunderten Fußballbü­ chern, etlichen Wimpeln, signierten Bällen, Torhüter­Trink­ flaschen und Fotoalben. Den Überblick verliert er nie. Die Hoffenheim­Trikots sind chronologisch geordnet, von der Regionalliga bis heute, fein säuberlich zusammengelegt mit einem Faltbrett. Aber nicht nur Ordnung muss sein, sondern auch tiefer Fußball­Sachverstand spielt eine Rolle: Glasgow Rangers und Celtic Glasgow liegen nicht direkt übereinander. Tottenham und Arsenal natürlich auch nicht.
1990 reiste er mit seinem damals sechsjährigen Sohn Patrick nach Madrid. Als die beiden sich das Training von Real an­ schauten und Bernd Schuster mit einem freundlichen „Guten Morgen, Herr Schuster“ begrüßten, meinte der verdutzt: „Hier spricht jemand Deutsch? Wo kommt ihr denn her?“ Sie kamen ins Gespräch und wenig später kam auch Emilio Butragueno dazu. „Er nahm Patrick an der Hand und posierte für Fotos. Im Auto von Trainer John Toshack durfte er Probe sitzen und das Lenkrad halten.“ Zum Abschluss schenkte Butragueno dem Jungen noch sein Trikot. „Sponsor Hummel, Nummer 7, Größe M.“ Zachler grinst. „Das sind solche Storys, die du nie vergisst.“ Zu jedem Shirt, das er aus dem Stapel zieht, kann er eine Ge­ schichte erzählen – bei getragenen legt er direkt noch Spiel und Ergebnis nach. Manchmal sogar Torschützen und ­szenen.
Dem Zufall oder der bloßen Erinne­
rung überlässt Zachler nur wenig:
Er führt ganz genau und tabella­
risch Buch, welches Trikot wann
und in welchem Spiel getragen
wurde. Weitere Spalten: Verein,
Größe, Farbe, Sponsor, signiert,
Saison und – ganz wichtig – matchworn (im Spiel getragen), matchvorbereitet oder ungetragen. „Jeder Spieler hat drei Tri­ kots. Eins trägt er auf dem Platz, eins liegt auf der Bank und eins in der Umkleide“, erklärt Zachler. Besonders reizen ihn natürlich die getragenen Shirts. Sein teuerstes Trikot trug Niklas Süle in der vergangenen Spielzeit beim Heimspiel gegen den VfB Stuttgart. „Es ist das Trikot mit dem Logo der Metropolre­ gion Rhein­Neckar auf der Brust. Damit liefen sie nur dieses eine Mal auf.“ Bei einer Online­Auktion war er mit mehr als 200 Euro Höchstbietender.
Viele seiner Textilschätze ersteigert Zachler, mit anderen verbindet er ganz besondere persönliche Geschichten. Der Trikotjäger ist leidenschaftlicher Groundhopper, besucht weltweit Fußballstadien – mittlerweile hat er etwa 420 in 14 Ländern besucht. Viele Trikots sind Reise­Souvenirs.
Die Begeisterung für den Fußball kam früh. Sein Vater nahm ihn mit zu Spielen des FC Viktoria Neckarhausen. Schon mit sieben Jahren fuhr er zu Auswärtsspie­ len nach Zuzenhausen oder Bam­ mental. „In der zweiten Amateur­
liga waren das ja keine großen Reisen, vielleicht mal 20 Kilometer. Aber da habe ich schöne Spiele gesehen“, sagt er. Später entdeckte Zachler seine Liebe zu Waldhof Mannheim, wo er für einige Zeit sogar Stadionsprecher war. Mit 15 reiste er dann etwas weiter, zu Waldhof­Auswärtsspielen: „Nach Worms, Bürstadt, Darmstadt oder zu den Kickers nach Offen­ bach. Aber nur mit Freunden, die deutlich älter waren als ich. Sonst hätte man das ja nicht überlebt.“ Für den Fußball wur­ de er immer mehr zum Kilometer­Fresser. Allein 94.000 Kilo­ meter gehen auf seine Tätigkeit als Fanbusbegleiter der TSG zurück. Zum Verein kam er zu Verbandsliga­Zeiten. „Mit einem Freund habe ich mir mal ein Spiel dort angeschaut und es hat einfach alles gepasst. Der Fußball war gut, die Bratwurst lecker, die Leute nett. Wie in den guten alten Zeiten.“ Als der Aufstieg in die zweite Bundesliga feststand, kaufte er sich eine Dauer­ karte.
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„Der Fußball war gut, die Bratwurst lecker, die Leute nett. Wie in guten alten Zeiten.“ THOMAS ZACHLER ÜBER SEINE ERSTE BEGEGNUNG MIT DER TSG

















































































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