Page 49 - Spielfeld_Januar_2017
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                 Doch das ist den Spielern egal. Stollenschuhe klackern. Eine Staubwolke folgt der Spielrichtung. 150 Zuschauer schreien, jubeln, tanzen. Trotz der besonderen Rahmenbedingungen läuft das Spiel im beachtlichen Tempo. Anpassung an die äußeren Umstände ist die Königsdisziplin für die Menschen des Township Katutura – nicht nur beim Fußball. Lutz Pfan- nenstiel kennt die Probleme. „Für die Jungs hier bedeutet der Sport alles. Ehrgeiz wird geweckt, und damit auch Disziplin und Motivation“, sagt der 43-Jährige, der bei der TSG für In- ternationale Beziehungen zuständig ist. „Wer keinen Sport treibt, ist für die Gefahren, die an solchen Orten lauern, viel anfälliger. Darum nutzen wir den Fußball als verbindendes Element. Nur reden bringt hier nicht viel“, sagt Pfannenstiel. Gemeinsam mit Geschäftsführer Dr. Peter Görlich und dem zweiten Vorsitzenden Kristian Baumgärtner ist der einstige Nationaltrainer Namibias in das afrikanische Land gereist und hat Bälle, Trikots und weitere Spenden mitgebracht.
Fußball ist die perfekte Verbindung zwischen den verschiedenen Welten. Alltagssorgen vergessen, Selbstvertrauen gewinnen, Anerkennung ernten – die enorme Kraft des Sports wird sichtbar im Kampf auf der Kraterlandschaft, auf der hierzu- lande das „Spielen verboten“-Schild stehen würde. Doch hier in Windhoek bedeutet der Platz für Kinder und Jugendliche das Tor zur Glückseligkeit, zumindest wenn der Ball rollt.
Im Hintergrund, nur durch eine Straße getrennt, ragt unent- wegt die andere Realität hervor; in einer seltsam malerischen Umgebung. Wellblechhütten verzieren den kleinen Berg hinter der Straße, wie Perlenketten legen sie sich um den Hügel. Dächer funkeln in der Sonne, heben sich glitzernd hervor aus der tristen Umgebung. Tanzende Lichter am Horizont.
Es ist eine trügerische Idylle, die für die Bewohner mehr Sorgen als Lösungen bereithält. Sobald die Sonne aufgeht, werden aus den Hütten sich rasant aufwärmende Backöfen, die die Menschen aus dem Inneren vertreiben. Das Leben spielt sich in Katutura draußen ab. Wie auf dem Fußballfeld, wo die Spieler um vielmehr als nur den Ball kämpfen. Der Einsatz ist groß, Angst kennt hier draußen niemand – zumindest nicht vor Sportverletzungen. Sie sind banal im Vergleich zu den Sorgen und Gefahren, die jenseits der Straße lauern: Hunger, Krankheiten, Perspektivlosigkeit.
NAMIBIA
Einwohnerzahl: ca. 2,5 Millionen
Fläche: 824.292 km2 (zum Vergleich
Deutschland: 357.376 km2 Währung: Namibia-Dollar
Unabhängigkeit: 21. März 1990 (von Südafrika) Größte Erfolge der Nationalmannschaft:
2 Teilnahmen am Afrika-Cup
Eine Wüste aus Wellblech: die Dächer der Townships rund um Namibias Hauptstadt Windhoek
„Man kann mit einfachsten Mitteln sehr viel Freude bereiten. Das ist Ansporn und
Verpflichtung zugleich.
DR. PETER GÖRLICH
Auf dem Platz der Hoffnung spricht ein Hoffnungsträger zu den Spielern. Lolo Goraseb ist die wahrgewordene Traumfigur der Jugendlichen. Er steht für einen Ausweg, für Freiheit und vor allem für Zukunft. Goraseb ist Rekordspieler des Landes, hat kurz in Europa gespielt, kennt die afrikanischen Heroen Didier Drogba und George Weah. Vor allem aber hat er seinen Ursprung, seine Heimat und die Probleme seiner Landsleute nicht vergessen. „Ich habe es auch von hier geschafft. Dann könnt ihr es auch. Trinkt nicht, raucht nicht, nehmt keine Drogen und bildet euch weiter“, mahnt der 42-Jährige. Es sind Worte, wie man sie überall auf der Welt hört, doch Gorasebs Worte beruhen auf den Erfahrungen seines Lebens, sie sind seine persönliche, in Worte gefasste Geschichte und sind so greif barer als all die Slogans der Regierung, an die hier kaum noch jemand glaubt.
Goraseb, der auch Präsident Hage Geingob beratend zur Seite steht, hat sich entschieden, etwas zurückzugeben, wachzu- rütteln. Er war seinerzeit der einzige Nationalspieler, der nebenbei studierte. Mittlerweile spricht er passabel deutsch, mit dem kleinen Makel des bei Pfannenstiel erlernten bayeri- schen Akzents. Obwohl er viele Jahre lang durch Europa reiste und kurzzeitig in Deutschland lebte, kennt er die Probleme der Jugendlichen in Windhoek– und weiß auch, dass es in anderen Teilen des Landes noch viel schlimmer ist.
400 Kilometer entfernt liegt Otavi, und vor den Toren der Stadt ein weiteres Township, laut Pfannenstiel „die Hölle Namibias“. Gewalt, Kriminalität, Aids, Hunger, Schmutz – die Liste der Probleme ist lang.
Verein
 SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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