Page 29 - Spielfeld_Januar_2017
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                 Am Anfang stand die gute Botschaft.
Der jüngst abgeschlossene Vier-Jahres-
Kontrakt zwischen der Deutschen Fuß-
ball Liga (DFL) und den TV-Sendern sorgt für
erhebliche Mehreinnahmen. Im Schnitt 1,195
Milliarden Euro werden pro Spielzeit an die
36 Profiklubs der 1. und 2. Bundesliga ausge-
schüttet. Die Frage aber, wie die Erlöse aus der
nationalen TV-Vermarktung der Fußball-Bun-
desliga ab der Saison 2017/18 auf die Klubs
verteilt werden sollte, hatte über Monate die
Branche beschäftigt. Es war ein zähes Ringen
um den angemessenen Verteilerschlüssel. Am Ende stand ein Kompromiss, über dessen grundsätzliches Wesen der frühere US-amerikanische Verteidigungsminister Henry Kissinger einst urteilte: „Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn beide Parteien damit gleich unzufrieden sind.“
Frank Briel, Finanzgeschäftsführer der TSG 1899 Hoffenheim, aber neigt weder zu Pessimismus noch zur Larmoyanz: „Der neue Verteilungsschlüssel ist das Ergebnis eines intensiven Dialoges innerhalb des DFL-Präsidiums mit dem durch die Ausdifferenzierung der Bemessungskriterien möglichst viele Seiten glücklich gemacht werden sollen“. Immerhin: Auch die TSG wird von den deutlich gestiegenen Erlösen aus der natio- nalen TV-Vermarktung erheblich profitieren – nach jetzigem Stand dürften die Einnahmen des Klubs aus den nationalen Vermarktungsrechten zukünftig pro Jahr bei rund 46 Millionen Euro liegen – eine Steigerung von etwa 40 Prozent. Damit liegt die TSG im Mittelfeld der Liga.
Die Reaktionen auf diesen einstimmigen Beschluss waren durchaus positiv – wirklich verloren hatte in der allgemei- nen Deutung lediglich das sogenannte „Team Marktwert“, in dem sich Klubs wie der HSV, Hertha BSC, Eintracht Frankfurt und der 1. FC Köln versammelt hatten, die auch Faktoren wie TV-Reichweite, Social-Media-Relevanz oder Anzahl der Fans berücksichtigt haben wollten. Nichts davon findet sich im neuen, so genannten Vier-Säulen-Modell wieder.
Bisher war für die Verteilung der nationalen Medienerlöse einzig und allein das sportliche Abschneiden der Vereine in den jeweils zurückliegenden fünf Jahren entscheidend. Das Abschneiden in der so genannten Fünfjahreswertung war das exklusive Kriterium. Im neuen Modell werden die TV-Einnahmen nur noch zu 70 Prozent über diese nun „Bestand“ genannte Säule verteilt – wie bisher übrigens im Verhältnis 80 zu 20 zwischen 1. und 2. Bundesliga. In der Säule zwei, der sogenannten „Nach- haltigkeit“, werden fünf Prozent der nationalen Medienerlöse verteilt. Dabei werden die Endplatzierungen der Klubs in den vergangenen 20 Jahren bewertet, um den langfristigen Beitrag zur Entwicklung der Liga zu honorieren – dort steckt nun ein Vorteil für die so genannten Traditionsvereine. Für die Säule drei, genannt „Nachwuchs“, hatte sich auch die TSG besonders stark gemacht. Hierbei werden zwei Prozent der nationalen Medienerlöse über die Einsatzminuten in der jeweils laufenden Spielzeit von in Deutschland ausgebildeten U23-Spielern verteilt. Davon profitieren vor allem die Klubs, deren Nachwuchsarbeit vorbildlich ist – wie die TSG, die in dieser Teilwertung bspw. in der Saison 2015/16 Platz vier (hinter Freiburg, Schalke und
dem 1. FC Köln) belegt hat. „Natürlich hätten wir uns hier eine noch stärkere Gewichtung gewünscht“, sagt Briel. „Aber es ist schön, dass diese für die Bundesliga wichtige Arbeit erstmals überhaupt honoriert wird.“
Die letzte Säule „Wettbewerb“, über die 23 Prozent verteilt werden, ist zugleich eine der Neuerungen. Auch hier werden die Endplatzie- rungen der letzten fünf Jahre ligaübergreifend zugrunde gelegt. Im Gegensatz zur Säule 1 erfolgt jedoch keine Trennung zwischen den
Ligen, so dass dort ein momentaner Zweitligist wie Hannover oder Stuttgart stärker profitiert als Klubs wie Leipzig, Darmstadt, Freiburg oder Ingolstadt. Zudem erhalten die ersten sechs der Tabelle den exakt gleichen Betrag. Hierdurch soll der Wettbewerb in dieser Tabellenregion gestärkt werden.
Angesichts dieses Kniffes ist es nur verständlich, wenn TSG- Geschäftsführer Frank Briel konstatiert: „Wir registrieren ge- samthaft betrachtet schon eine signifikante Stärkung der Top-6- Klubs, verbunden auch mit der Gefahr, dass sich diese Vereine mittel- bis langfristig vom Rest der Liga abkoppeln könnten. Für die Klubs ab Platz 7 wird es auf Dauer gesehen erheblich schwerer, in diesen Topbereich vorzustoßen.“ Allerdings: Zu einer Spreizung zwischen reich und arm trägt vor allem auch die Reform der Gelder aus der Champions-League-Vermarktung bei, die den Spitzenklubs bis zu dreistellige Millionensummen beschert. „Das lässt die Schere weiter auseinanderklaffen. Diese Lücke in den Erlösen wird objektiv betrachtet sehr wahrschein- lich nicht mehr geschlossen werden können“, sagt Briel, der jedoch die neue DFL-Verteilung begrüßt: „Jeder Klub bekommt definitiv mehr. Wir brauchen diesen Zuwachs auch für unsere Wettbewerbsfähigkeit.“
Die spannende Frage ist, in welchem Bereich der Wettbewerb ausgetragen wird. „Der neue Verteilerschlüssel erhöht womöglich die Wettbewerbsintensität in gewissen Regionen“, sagt Briel. Es werden quasi verschiedene Meisterschaften ausgespielt. Der Kampf um den Titel, jener um die Plätze bis Rang 7 – und der um den Klassenverbleib. Briel wagt einen Blick in die Zukunft: „Ich würde schon die Prognose wagen, dass es sehr wahrschein- lich mit wenigen Ausnahmen immer die gleichen Klubs sind, die diese Teil-Wettbewerbe ausspielen.“
Beklagen will Briel diese Situation nicht: „Wir befinden uns nicht im Sozialismus, das eingeführte Modell folgt dem Markt- prinzip. Die Klubs, die in den vergangenen vier, fünf Jahren gute Arbeit geleistet haben, haben durch den neuen Vertrag nun einen Wettbewerbsvorteil erlangt. Sie waren zur richtigen Zeit oben mit dabei.“ Und dieser strategische Vorteil erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit – aber „im Fußball gibt es immer die eine oder andere Überraschung“, sagt Briel. Denn eines ist dem TSG-Finanzgeschäftsführer ganz wichtig: „Wir sehen es ja aktuell an unserer eigenen sportlichen Situation: Es ist schön, dass nicht immer zwangsläufig nur die finanziellen Voraussetzungen für den sportlichen Erfolg ausschlaggebend sind. Die optimale Besetzung von Schlüsselpositionen wie die des Trainers ist von der Bedeutung fast gleichwertig.“ Und da sieht sich die TSG Hoffenheim derzeit zurecht gut aufgestellt.
Profis
 SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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TSG-Finanzgeschäftsführer Frank Briel.









































































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