Page 16 - Spielfeld_Januar_2017
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                                   Ein weiteres Geschenk für sie ist sicherlich, dass Du noch zu Hause bei ihnen in Mannheim wohnst und sie Dich regelmäßig sehen. Wirst Du in der Mannschaft dafür aber manchmal aufgezogen? (lacht) „Von manchen der Jungs natürlich. Aber das interessiert mich nicht. Für mich macht es keinen Sinn, mir hier eine eigene Wohnung zu suchen, das wäre unnötig. Ich bin gern bei meiner Familie und freue mich auch, dass meine Eltern und mein Bruder immer im Stadion sind.“
Bekommst Du danach Tipps von ihnen oder musst Dir auch mal Kritik anhören?
„Von meinem Vater schon. Als ich im Frankfurt-Spiel Kopf-an-Kopf mit meinem Gegenspieler stand, hat er mir gesagt: ‚Gut, dass Du stehen geblieben und nicht umgefallen bist. Sei ein Mann und mach‘ keine Faxen auf dem Platz.‘ Meine Mama hat eher Angst, dass ich mir weh tue, wenn mich einer foult. Aber wenn wir verloren haben, wissen meine Eltern, dass ich sauer bin und gleich in mein Zimmer gehe, wenn ich nach Hause komme, und allein sein will.“
Wann sind Deine Eltern aus Afghanistan nach Deutschland gekommen?
„Sie sind vor fast 30 Jahren vor dem Krieg geflüchtet und haben sich hier wirklich etwas aufgebaut. Meine Mutter hat fast 20 Jahre in einem Altenpflegeheim gearbeitet. Jetzt kann sie es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Mein Vater hat eine eigene Firma, einen LKW-Handel, da arbeitet auch mein Bruder. Die Idee mit den LKW hatte meine Mutter. Beide haben zu Beginn bei Burger King gearbeitet, dann hat mein Vater nebenbei ein paar Autos verkauft und meine Mutter meinte: Warum keine LKW. So hat das angefangen ...“
Ist der Zusammenhalt in Deiner Familie deshalb so groß, weil Ihr Euch alles hart erarbeitet habt? „Wir hatten einen schwierigen Weg und wissen, wo wir herkommen. Egal wieviel Erfolg und Geld man hat, man muss immer bodenständig bleiben. Denn so schnell wie es nach oben ging, kann es auch wie- der nach unten gehen. Ich habe von meinen Eltern gelernt, nie aufzugeben und hasse es, zu verlieren. Ich bin ein Kämpfer. Das ist auch bei meinem Vater so: Wenn er nichts verkauft, kommt er nach Hause und redet nicht viel.“
Im Hotel Mama zu wohnen ist bestimmt schön und bequem. Hast Du denn keine Lust auf eine eigene Wohnung?
„Kein bisschen. Es ist vielleicht nicht ganz normal, noch zu Hause zu leben, aber es gibt ja immer ein paar besondere Sachen, sonst wäre es ja langweilig. Und insgesamt bin ich auch völlig frei. Ich könnte auch eine Freundin mit nach Hause bringen. Meine Eltern wissen, dass sie mir vertrauen können und ich keinen Blödsinn mache. Auch wenn das früher anders war (lacht).“
AVANCEN AUS AFGHANISTAN
Nadiem Amiri ist in Ludwigshafen geboren, seine Eltern stammen aber aus Afghanistan. Die Entwicklung in ihrem Heimatland verfolgt die Familie sehr genau. „Was dort passiert ist traurig, meine Eltern beschäftigt das sehr. Und wenn ich wie vor kurzem ein Flüchtlings- heim besuche, macht mich das sehr emotional. Aber es ist auch schön, den Leuten dort eine Freude zu bereiten. Es ist schon intensiv zu sehen, wie viel ihnen das bedeutet.“ Er selbst hat aber keine besondere Beziehung zu Afghanistan. „Meine Heimat ist Deutsch- land. Ich war einmal dort, mit 14, aber mich verbindet wenig mit dem Land. Das ist nicht meine Welt und mir fehlt der Bezug, außer dass meine Eltern daherkommen. Ich habe auch nicht vor, nochmal dahin zu gehen.“ Das Weihnachtsfest wird bei den Amiris zwar nicht begangen, aber die Familie trifft sich und feiert zusammen. „Es gibt auch keine Geschenke oder so, aber wir freuen uns dennoch total auf diese Zeit, weil es immer schön ist, wenn die ganze Familie zusammenkommt“, sagt Amiri.
Dazu gehört auch Nadiems Cousin Zubayr Amiri, der beim SC Hessen Dreieich in der Hessenliga kickt – und für die Nationalmannschaft Afghanistans. Dort hat er schon gegen Japan und Stars wie Shinji Kagawa gespielt. In der Landesauswahl wird der 26-Jährige auch immer auf Nadiem angesprochen – mit einem klaren Auftrag. „Sie sagen ihm immer, er soll mich mitbringen und für die Nationalelf begeistern“, sagt Nadiem. Aber: „Das ist kein Thema, auch wenn mich es freut, dass ich in Afghanistan so bekannt bin.“
Nadiem Amiris Cousin Zubayr Amiri (r.) im Spiel gegen Japan.
Erzähl doch mal ...
„Wir haben als Kinder immer auf dem Bolzplatz in Mundenheim gespielt. Das war ein richtiger Steinplatz mit Staub und Dreck. Wir haben nur gezockt. Doch manchmal sind wir auch einfach ein biss- chen in der Innenstadt unterwegs gewesen und meine Eltern haben im Auto das ganze Viertel nach mir abgesucht. Aber der Bolzplatz war unser Treffpunkt, da habe ich viel gelernt, was mir heute noch hilft. Der Untergrund des Bolzplatzes hat ja niemanden gejuckt, wir wollten nur spielen. Und wer dort gelernt hat, hat auf dem Rasen keine Probleme mehr. Man sieht es den Spielern bei uns aber auch an, wo sie herkommen. Manche spielen halt sauber und manche, wie ich oder Kerem Demirbay, ein bisschen mehr mit Beinschüssen und so.“
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