Page 24 - Spielfeld_Dezember_2016
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                Es hieß aber immer, er sei der beste Spieler der Region gewesen. Aber vielleicht hätte ich nicht nur seine Freunde fragen sollen, sondern auch ein paar Jungs, die ihn nicht so sympathisch finden“, sagt Benjamin lachend. Fügt dann aber mit ernster Miene an: „Ich hätte es mir wirklich sehr gewünscht, meinen Vater mal während seiner Profi-Lauf bahn spielen zu sehen.“
Zwar diente Vater und Ex-Stürmer Bruno seinen drei verteidigenden Söhnen somit nicht direkt als sportliches Vorbild, ihre Entwicklung trieb er aber dennoch maßgeblich voran: als Ratgeber, Fachmann und Unterstützer. Denn Zweifel an der Kompetenz des Vaters gab es im Hause Hübner nie: „Er hat ja nachweislich alles selbst erlebt, da kann man ihm das schon glauben und nicht einfach sagen: ‚Du hast doch keine Ahnung, du hast doch selbst nur Kreisklasse gekickt‘.“
„Ich kann das ausblenden und
meinem Vater in den übrigen Spielen
die Daumen drücken.“
BENJAMIN HÜBNER ÜBER DAS DUELL MIT SEINEM VATER BRUNO, DEM SPORTDIREKTOR VON EINTRACHT FRANKFURT
So blieb Benjamin wie seine Brüder die gesamte Jugend beim Hei- matverein, kickte bis zur U15 auf der Asche und in der U19 – im Gegensatz zu den meisten heutigen Gegenspielern – nicht in der höchsten Spielklasse.
Doch die A-Junioren-Oberliga Hessen erwies sich als Sprungbrett mit verlockender Aussicht: den Profikader des SV. Schon im Alter von 19 Jahren ging der Plan auf, Benjamin spielte mit dem älteren Bruder Christopher für die Regionalliga-Reserve und debütierte schon in seiner ersten Saison bei den Senioren in der Zweiten Liga – als Erster der drei Brüder. Hübner weiß, dass er einen anderen Werdegang als die meisten seiner heutigen Mitspieler hinter sich hat: „Zu meiner Zeit gab es noch kaum Nachwuchsleistungszentren. Ich war auch nie Nationalspieler und wurde nur einmal für die Hessen-Auswahl nominiert, mein Weg in den Profifußball führte über die Dörfer und ist heutzutage sicher eher ungewöhnlich.“
Beim ebenso ungewöhnlich verlaufenen Start in Hoffenheim half ihm der gemeinsam gesammelte Erfahrungsreichtum seiner Familie. Als Stammspieler des FC Ingolstadt war er zur TSG gewechselt, kam dann aber zuerst nicht zum Zug. An den ersten fünf Spieltagen stand er nicht einmal im Bundesliga-Kader. Eine schwierige und vor allem neue Situation: „Natürlich war das sehr frustrierend und enttäuschend, vor allem in einem neuen Klub, wo die Leute ja nicht genau wissen, was ich kann.“ Hübner gab aber nicht auf, sprach viel mit seiner Familie und fand eine Lösung: „Vorher war ich verbissen, habe mich unter Druck gesetzt und wollte es allen zeigen. Dann habe ich mir gesagt: Ich blende alles aus, trainiere so gut es geht und habe Spaß dabei, denn mit zu viel Druck geht irgendwann gar nichts mehr.“
Der Plan ging auf, Trainer Julian Nagelsmann stellte ihn im Spiel beim Ex-Klub Ingolstadt in die Startelf, in der er sich als linkes Glied der Abwehrkette festspielte – mit einer imposanten Quote: Er gewann seine ersten vier Bundesligaspiele mit der TSG und traf zudem per Kopf beim 1:2 im Pokal in Köln. Dass er in dieser Zeit auch endlich eine Wohnung in Heidelberg fand und nicht mehr zwischen den Betten im Hotel und im Trainingszentrum pendeln musste, half
ebenfalls: „Ich bin endgültig angekommen, fühle mich wohl und bin überglücklich mit meiner Situation.“ Daran wird auch das Familienduell mit seinem Vater am 9. Dezember nichts ändern – auch wenn sich Benjamin nicht wirklich auf das Spiel bei Eintracht Frankfurt freut: „Es wird für mich nicht angenehm, da ich meinem Vater natürlich immer das Beste wün- sche, wie es wohl jeder Sohn macht. Aber ich kann das ausblenden und kann ihm ja in den übrigen Spielen der Saison die Daumen drücken.“
Umgekehrt gilt das natürlich auch für Bruno Hübner, der seinem Sohn zum Wechsel zur TSG geraten hatte und sich nun über den Hoffenheimer Höhenf lug freut. Am Zusammenhalt der Familie hat sich seit den leiden- schaftlichen Duellen im Garten nichts geändert. Daran kann auch das bis zuweilen harte Bundesliga-Geschäft nichts ändern, wie Benjamin Hübner betont: „Mein Vater ist nach wie vor die wichtigste Bezugsperson für mich: im Beruf und im Privatleben. Wir haben eine ganz enge Verbindung in der ganzen Familie.“
BENJAMIN HÜBNER
Geburtsdatum 4. Juli 1989 Geburtsort Wiesbaden
Bei der TSG seit 07/2016
Frühere Vereine:
2014 – 2016 FC Ingolstadt
2012 – 2014 VfR Aalen
2007 – 2012 SV Wehen Wiesbaden
Vereine in der Jugend:
SV Wehen Wiesbaden
TSG-Bilanz in der Bundesliga
6 Spiele, 0 Tore (Stand: 23. November)
TSG-Bilanz im Pokal
1 Spiel, 1 Tor
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