Page 54 - Spielfeld_September_2016
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BEREIT FÜR
DIE GROSSE BÜHNE
Der 31-jährige Domenico Tedesco hat im Sommer die U19 der TSG übernommen. Er gilt schon jetzt als eines der größten deutschen Trainertalente. Seine Biographie macht ihn dabei zu einem perfekten Botschafter für den Hoffenheimer Weg.
Die Erkenntnis kommt von seiner Frau Carmela: „Bei uns ist der Bildschirm immer grün. Vom Rasen des Fußballplatzes.“ Domenico Tedesco
lacht. Ja, vermutlich sei er, neben seiner Familie, auch vernarrt in den Fußball. Er ist kein Besessener, kein Getriebener, aber schon ein echter Liebhaber. „Ich guck´ einfach sehr gern Fußballspiele“, sagt der 31-Jährige. Aber er schaut nicht einfach, er hat auch die Gabe, sie „zu lesen“, wie es im Fußballerjargon heißt.
Der Deutsch-Italiener ist ein exzellenter Trainer, seit dem Frühjahr sogar diplomierter Fußball-Lehrer. Da schloss er den Lehrgang an der Sportschule in Hennef ab. Mit Bestnote. Als Jahrgangsbester unter 24 Trainern, die zuvor unter einigen hundert ausgewählt wurden. Vor einem gewissen Julian Nagelsmann, seinem Vor-Vorgänger. Die Bestnote hatte ihn ein wenig ins Rampenlicht geschubst, bescherte ihm während der EM sogar einen TV-Auftritt in Beckmanns Sportschule; dabei ist Tedesco gar kein effektheischender Enter- tainer, sondern ein ungemein akribischer Arbeiter. Seit dem 1. Juli trainiert er nun die U19-Junioren der TSG Hoffenheim. In der Spielzeit zuvor hatte Tedesco, mit Rücksicht auf den intensiven Fußballlehrer-Lehrgang, die U16 der TSG in der Oberliga trainiert. Doch „die Bühne Bundesliga“, das gesteht Tedesco zu, die habe ihm schon gefehlt: „Diese absoluten Topspiele gegen große Klubs, diese Highlights.“
Entsprechend glücklich ist er nun, wenn er auf dem Rasen an der TSG-Akademie in Hoffenheim steht. Dabei gibt es sicher Aufgaben, die auf den ersten Blick dankbarer wirken. Drei Mal in Serie hatten die Hoffenheimer U19-Junioren zuletzt das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft erreicht, entsprechend groß
ist die Erwartungshaltung inzwischen. Zudem qualifizieren sich in dieser Spielzeit nicht mehr die ersten beiden Teams der Süd-Staffel für das DM-Halbfinale, sondern nur noch der Meister. Eine kniff- lige Aufgabe. Domenico Tedesco geht sie betont gelassen an: „Wir peilen immer Platz eins an, wir wollen bis zum Schluss dabei sein. Und nicht nur der Trainer, auch die Mannschaft hat einen riesigen Hunger auf Erfolg.“
Die neu formierte Mannschaft selbst hatte im Trainingslager eine Zielpyramide erstellt, an der Spitze steht „das Größtmögliche errei- chen“. Entsprechend eifrig geht das Team die Herausforderung an, der Saisonauftakt gelang mit dem 3:2-Sieg in Karlsruhe. Und wer die Trainingseinheiten verfolgt, ahnt wie professionell es inzwischen im Juniorenbereich zugeht. Komplexe Übungsformen, höchstes Tempo, viel Abwechslung, hohe Intensität. Die Spielidee des Trainers ist da- bei f lugs umrissen: „Ich möchte immer schnellstmöglich Torgefahr ausstrahlen“, sagt Tedesco. Das Zauberwort heißt „schnellstmöglich“. Bei gegnerischem Ballbesitz wird frühzeitig attackiert, bei eigenem Ballgewinn geht der Blick sofort nach vorne. „Vertikales Denken“, nennt es Tedesco.
Master-Studium als Ingenieur
Der 31-Jährige verlangt viel, weil er viel erreichen möchte. Den vermeintlichen Widerspruch, einerseits Spieler perspektivisch aus- zubilden und anderseits kurzfristig Siege zu feiern, löst er entspannt auf: „Ausbildung und Erfolg gehören für mich zusammen“, sagt Tedesco. „Jeder einzelne Spieler entwickelt sich besser, wenn er im Rampenlicht steht und die großen Spiele hat“, sagt er. Aber im Zweifel, das gibt er zu, wären ihm Jungs, die es aus seinem Kader zu den Profis schaffen, das größte Lob: „Lieber drei Spieler nach oben bringen als den Meistertitel“, betont er. „Da können wir dann alle im Verein stolz drauf sein.“ Dieser rote Faden in der Klubphilosophie hat ihm gefallen, die Zielsetzung, die eigenen Junioren auch tatsäch- lich bis in die Bundesliga zu führen.
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