Page 15 - Spielfeld_September_2016
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 Die Debatte, der Fußball entferne sich aufgrund der ungeheuren Summen, die dort kursieren, vom Fan, läuft auf Hochtouren. Sehen Sie persönlich da auch eine gefährliche Entwicklung?
„Man muss sich schon immer bewusst sein, dass das Business Profifußball auf vielen Ebenen zu einer Scheinwelt geworden ist. Das hat mit dem normalen Leben der allermeisten Menschen nur noch recht wenig zu tun. Das Fußballspiel selbst dagegen ist immer noch total bodenständig, Elf gegen Elf, wie immer schon.“
Denken Sie manchmal über diese gewaltigen Summen nach?
„Ich habe mir schon früher, als ich kein Profitrainer war, wenig Gedanken darüber gemacht, wie viel andere verdienen. Wenn mein Nachbar sich ein teures Auto kaufen möchte oder eine Yacht, dann soll er es machen. Für mein persönliches Lebensglück ist es nicht entscheidend. Es geht mir dann weder schlechter noch besser. Eine gewisse Neidkultur hierzulande kann man nicht übersehen. Aber Gleichmacherei bringt niemandem etwas, es wäre schön, wenn Individualität gefragt und akzeptiert wird.“
Aber davon abgesehen, hat die Fan-Nähe schon etwas gelitten?
„Wissen Sie: Als Kind war ich Bayern-Fan und bin öfter mit meinem Vater zum Training an der Säbener Straße gefahren. Meinen Sie, ich hätte da jemals ein Autogramm von Oliver Kahn bekommen? Es ist ja nicht so, dass früher immer alles besser war. Aber man muss auch sehen, dass du Nähe heute nicht immer so zulassen kannst aufgrund der beschriebenen Distanzlosigkeit, die sich manchmal ja auch in Aggressionen entlädt.“
Was meinen Sie genau?
„Flapsig gesprochen, kann heute ja hinter jeder Laterne jemand stehen, der dir eine auf die Rübe haut, weil du für einen anderen Klub arbeitest und dessen Fan bist. Dass bei einem Fußballspiel auch schon mal 4.000 Polizisten auflaufen müssen, das ist doch verrückt. Da fragt man sich schon: In was für einer Welt leben wir eigentlich? Wir im Fußball sollten weniger fragen, was der ein oder andere ver- dient, sondern wie wir es schaffen, aus den Fans wieder Anhänger zu machen, die einfach total für ihren Klub sind und ihn bedingungslos unterstützen und nicht bei einer Niederlage den gegnerischen Fans auf die Mütze hauen. Diese zunehmende Aggression ist ja auf vielen Gesellschafts-Ebenen festzustellen, ich halte das für eine echte Bedrohung.“
Woher kommt diese Aggression?
„Es ist sehr leicht, unzufrieden zu sein in seinem Leben, aber sehr schwer, zufrie- den oder glücklich zu sein. Man tut sich eben viel leichter, sich über Dinge aufzu- regen als sich über die kleinen Dinge zu freuen. Irgendwann lebt man mit einem gewissen Status, und alles was marginal darunterliegt, lässt einen unzufrieden werden. Meinem Nachbar böse zu sein, weil er die Hecke nicht oder am Samstag- nachmittag schneidet, fällt leichter als zu sagen: ‚Hey Nachbar, soll ich Dir mal schnell helfen, damit wir zusammen kurz mal die Hecke schneiden.‘ Das war früher so, aber heute kommt es immer seltener vor. Dazu kommen dann dieser immense Leistungsgedanke und die mangelnden Möglichkeiten Druck abzubauen. Dann kanalisiert sich eben einiges in verbaler und tätlicher Gewalt.“
GROSSER FÖRDERER
TSG-Gesellschafter Dietmar Hopp war stets ein großer Förderer des jungen Trainers Julian Nagelsmann. Als der FC Bayern das Talent als Junioren-Coach verpflichten wollte, schaltete sich Hopp auch persönlich ein. „Wir schreiben uns ab und zu SMS oder telefonieren“, beschreibt Nagelsmann den regelmäßigen Aus- tausch zwischen den beiden. Und natürlich hat der 29-Jährige großen Respekt vor der Lebensleistung des heute 76-jährigen Hopp. „Natürlich kenne ich seinen Lebensweg, und wer eine solche Weltfirma wie SAP aufbaut, bei dem kann man sich allein schon in Sachen Menschenführung einiges abschauen.“ Dabei gibt sich der Klubmäzen gewohnt zurückhal- tend: „Herr Hopp hat gar nicht den Anspruch, mir seine Lebensgeschichte zu erzählen oder mir Ratschläge zu erteilen.“ Für Dietmar Hopp zählt vor allem eins: Julian Nagelsmann steht für den typischen TSG-Weg – mit jungen Leuten zum Erfolg.
Profis
  SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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