Page 83 - Spielfeld_August_2016
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 Nein, ein einfaches Fan-Dasein führt Rene Sen wahrlich nicht. Als Anhänger der TSG Hoffen- heim steht der 39-Jährige in seiner Heimatge-
meinde Braunsbach im Landkreis Schwäbisch Hall oft allein auf weiter Flur. „Ich bin umzingelt von VfB-Fans. Es gibt viele Anhänger von Bayern oder Schalke, und der 1. FC Nürnberg hat hier bei uns sogar einen eige- nen Fanclub“, weiß Sen zu berichten. Er selbst aber hält stolz die Vereinsfarben der TSG hoch. So oft es geht, nimmt er die rund 100 Kilometer lange Fahrt in den Kraichgau auf sich, um die Heimspiele seines Vereins zu besuchen. „Ein echter Fan bin ich seit dem Aufstieg von der Regionalliga Süd in die zweite Liga im Jahr 2007. Als Jugendlicher habe ich noch für verschiedene Mannschaften sympathisiert, aber was sich in Hoffenheim zu dieser Zeit entwickelt hat, hat mich wirklich neugierig gemacht.“
Und so ist er der TSG treu geblieben, hat sich nachhaltig in den erfrischenden Hoffenheimer Angriffsfußball verliebt. Bei der Antwort auf die Frage nach seinem Lieblingsspieler im TSG-Trikot, schwingt bei Sen ein Stück weit die Erinnerung an die ersten eigenen fußbal- lerischen Gehversuche mit. Denn bevor er im Alter von zehn Jahren nach Braunsbach zog, kickte der gebürtige Berliner bei den F-Junioren von Hertha 03 Zehlendorf. Dort, wo auch TSG-Rekordtorschütze Sejad Salihovic seine Karriere begann. „Seine technischen Fähigkeiten und die Stärke bei Standards hätten uns in der letzten Saison sicherlich gut zu Gesicht gestanden“, glaubt Sen. Genauso fest rechnet der fachkundige Beobachter aber mit einer Leistungssteigerung der Mannschaft in der kommenden Spielzeit 2016/17. Aus seiner Sicht setzt Trainer Julian Nagelsmann die richtigen Impulse: „Er legt viel Wert auf das, was die TSG so stark gemacht hat: taktisch kluger Offensivfußball. Man merkt, dass die Jungs die Lust am Spiel wiedergewonnen haben.“
Meterhohe Barriere aus Schutt und Unrat
Die Lust auf Fußball, sie ist auch Rene Sen nicht verloren gegangen, allen Umständen zum Trotz. Denn seit jenen Ereignissen im Mai dieses Jahres ist in Braunsbach nichts mehr so, wie es einmal war. Heftige Regenfälle hatten die drei Bäche im Ort in reißende Ströme verwandelt, die eine Schneise der Verwüstung hinterließen. „Ich wohne in einer höher gelegenen Neubausiedlung. Daher ist bei mir zu Hause alles heil geblieben. Gehe ich aber zwei Straßen weiter Richtung Ortskern, ist das ganze Ausmaß der Katastrophe erkennbar“,
erzählt Sen. 300 Rettungskräfte waren in der Nacht im Einsatz – zum Glück gab es keine Todesopfer. Der materielle Schaden aber ging in die Millionenhöhe. Eine schreckliche Naturkatastrophe. Da Wasser und Stromversorgung nicht mehr funktionierten, lieferten Hilfskräfte Trinkwasser an, für Bewohner, die ihr Heim an die Wassermassen verloren hatten, wurden in einer nahen Veran- staltungshalle Feldbetten aufgebaut. Und im Ort versperrte eine meterhohe Barriere den Weg. Ein einziger Schuttberg aus Straßenbelag, Autos, Bordsteinen, Hauseinrichtungen oder Brückenteilen.
In der schwersten Stunde des Ortes aber sind die Braunsbacher besonders eng zusammengerückt. „Es gab immer nur den Gedanken, wie man helfen und wo man anpacken kann“, so Sen, der auf die Idee kam, seinen Verein, die TSG Hoffenheim, um Unterstützung zu bitten. Und traf auf einen Mann, dem Heimat mindestens ebenso viel bedeu- tet: Dietmar Hopp spendete als Nothilfe 250.000 Euro für den Wiederauf bau der 2.400 Einwohner zählenden Gemeinde. „Natürlich freut es mich, dass sich mein Einsatz bezahlt gemacht hat. Aber es geht nicht um mich. Ich wollte nur helfen, und dass geholfen wird, ist das Wichtigste!“ Noch immer befindet sich Braunsbach offiziell im Katastrophenmodus. Doch Hoffnung und Zuversicht sind längst in die so arg gebeutelte Gemeinde zurück- gekehrt. Dank des Einsatzes von Rene Sen und vielen anderen Menschen, die neben einem Fußballverein auch ihre Heimat im Herzen tragen.
Region
 SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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