Page 78 - Spielfeld_Mai_2016
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                 DER
PERFEKTE
SCHUSS
Der Mannheimer Horst Hamann ist weltweit für seine vertikalen Stadtaufnahmen New Yorks bekannt. Vor seiner Fotografen-Karriere stand ihm allerdings noch eine ganz andere Tür offen: der Weg in den Profifußball.
Mannheimer oder New Yorker? Mittelstürmer oder Motivjäger? Mit Anfang 20 stand Horst Hamann vor dieser Entscheidung. Er war Angreifer beim FV
09 Weinheim, spielte an der Seite des Mannheimers Fritz Walter in der Oberliga (damals die dritthöchste Spielklasse) und hatte einen Stammplatz. „An deiner Stelle würde ich jetzt nicht gehen“, riet ihm sein Trainer damals. Hamann war auf dem Sprung zum Profifußball. Er ging – wollte Fotograf werden und folgte seinem amerikanischen Traum. Jahre später schrieb er mit dem inzwischen über 300.000 Mal verkauften Bildband „New York Vertical“ Fotografie-Geschichte. Doch damals fiel ihm die Entscheidung verdammt schwer.
Hamann kickte schon als kleiner Junge auf den Straßen seines Mannheimer Stadtteils Lindenhof, trat beim MFC 08 gegen den Ball. Gerd Müller war sein Held, sein großes Idol. Das „Bomber“-Virus packte ihn bei der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko: „Das Spiel gegen England ist ein absoluter Klassiker, das 3:4 gegen Italien nach Verlängerung der Dok- tor Schiwago aller Fußballspiele. Müllers Torinstinkt war einzigartig!“ Müller war im richtigen Moment am richtigen Platz. Auch Hamann wollte solche Tore schießen, träumte davon, irgendwann einmal in der Nationalmannschaft zu spielen. „Ein Tor in der letzten Minute. Den Traum habe ich noch heute“, sagt er.
Parallel entwickelte er auch eine andere Leidenschaft: Mit elf Jahren entdeckte Hamann zu Hause eine Fotokamera und begann damit zu experimentieren. Er war so fasziniert, dass er sich später in die Dunkelkammer des Schullabors stahl oder die Schule schwänzte, um zu fotografieren. Sogar, wenn er bei Fußballspielen auf der Bank saß, machte er Bilder. 1979 reiste er nach Amerika, um an einem Foto-Work- shop teilzunehmen. Er war gefesselt, kehrte zwar noch einmal nach Deutschland zurück, im Kopf war er aber schon längst anderswo. Kurze Zeit später saß er wieder im Flieger nach New York.
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 New York

























































































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