Page 70 - Spielfeld_Maerz_2016
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                  „Es war schon ein hartes Brot. Bei solchen Projekten säßen heute Teams von locker 200 bis 300 Mann, was wir da mit unseren paar Jungs gemacht haben.“
DIETMAR HOPP
  Das erste SAP-Firmengebäude.
„Für mich war es aber kein Abenteuer“, sagt Dietmar Hopp rückblickend. „Ich wusste, wenn es gar nicht klappt, kommen wir mit unseren Fähigkeiten überall unter, im Zweifel auch wieder bei der IBM.“ Der Konzern ist wenig begeistert von der Flucht der gut dotierten Angestellten, für deren Dienste dem Kunden immerhin satte 80 Mark die Stunde in Rechnung ge- stellt werden. Anderseits lockt auch die Möglichkeit, bei einer funktionierenden Software noch mehr Unternehmen die teuren Großrechner verkaufen zu können. Und so machen sich die fünf Jungunternehmer ans Werk: Nach Geld von der Bank fragen sie gar nicht erst – aussichtslos. Von der ICI bekommen sie, trotz eines überaus günstigen Angebots, zumindest so viel Geld, dass sie ihre Familien ernähren können. Während des Tages übersetzen sie die Programmteile in Computersprache, bauen eine Datenbank auf und klügeln das neue Betriebssystem aus, das erstmals verschiedene Aufgabenbereiche logisch verknüpfen soll – eine absolute Neuheit. Und am Abend, wenn der ICI-Rech- ner nicht mehr benötigt wird, starten die Probeläufe. Erst dann sehen die jungen Männer, ob ihr Tagwerk erfolgreich war, wo es hakt, wie weit sie schon sind. Woanders können sie es nicht testen – einen eigenen Computer besitzt die junge SAP nicht.
Es sind harte Monate, vor allem für den jungen Vater Dietmar Hopp. Am 27. April 1972 kommt sein Sohn Oliver auf die Welt, der Vater aber ist gerade dabei, die Wirtschaftswelt zu verändern. Der Preis war hoch. „Meine Frau hatte sehr große Bedenken“, gibt Dietmar Hopp zu. „Ich habe ihr dann, weil wir am Wochenende ja immer arbeiten mussten, versprochen, dass wir montags dafür in den Schwarzwald fahren zum Skifahren oder zum Wandern in die Pfalz.“ Kurze Pause. „Es hat nicht ein einziges Mal geklappt.“
Doch der Fleiß, der Ehrgeiz und vor allem der Wagemut von Dietmar Hopp und seinem Kollegen-Quartett wird reich belohnt. Am 1. Januar 1973, exakt neun Monate nach dem Start, funktioniert das System. Nach nicht viel mehr als einem Augenzwinkern erscheinen die eingegebenen Daten auf dem Monitor. Hopp ist selig. Er hat es geschafft. Innerhalb kürzester Zeit kommen die nächsten Aufträge, kommen große Unter- nehmen wie Burda und Boehringer. Das Programm bildet die Grundlage für den Aufstieg der SAP zu einem Weltkonzern.
Diese Entwicklung aber war noch weit weg, zu jener Zeit, an die sich Hopp heute noch gut erinnert. An die Entbehrungen, den jugendlichen Übermut – oder war es doch Wahnsinn? „Es war schon ein hartes Brot. Bei solchen Projekten säßen heute Teams von locker 200 bis 300 Mann, was wir da mit unseren paar Jungs gemacht haben. Wir haben manches falsch eingeschätzt, gedacht, dass es weniger aufwändig sei – aber, wenn ich heute sehe, was wir da hingekriegt haben, ist das schon erstaunlich.“ Das ist eine hübsche Untertreibung für die Revolution, die Hopp und seinen Mitstreitern gelungen war. Ja, sagt auch der heute 75-jährige Dietmar Hopp. „Die Entwicklung war schon extrem rasant.“ Und doch findet er: „Wir waren keine Zauberer.“ Aber es fühlte sich Anfang der 70er Jahre so an.
TEIL I UND II DER GESCHICHTSSTUNDE: JETZT ONLINE NACHLESEN
Bisher wurden im SPIELFELD bereits zwei Folgen der Geschichtsstunde mit Dietmar Hopp abgedruckt. Die ersten beiden Teile finden Sie zum Nachlesen auf unserer Webseite: achtzehn99.de/spielfeld
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REGION
GESCHICHTSSTUNDE MIT DIETMAR HOPP, TEIL II (1954 - 1972)
Region
LEBERWURST, TANZTEE UND DER AUFSTIEG
„Ich habe da viele Klinken geputzt, aber ich war auch ziemlich erfolgreich. Ich weiß auch nicht, warum.“ DIETMAR HOPP
Das Urteil fällt rückblickend eindeutig aus: „Wenn man gewusst hätte, wie schlimm es wird, hätte man es wahrscheinlich nicht gemacht.“ So gelassen spricht Dietmar Hopp heute über die Entscheidung, sich 1972 mit der Gründung der SAP selbständig zu machen. Bereut hat er den Schritt natürlich nie; aber er war ein Wagnis. Absehbar war es ganz sicher nicht für den jugendlichen Dietmar Hopp, der nach der WM 1954 begonnen hatte, bei der TSG Hoffenheim Fußball zu spielen. Die Erlebnisse dort aber haben ihn auch geprägt: „Wir hatten ja nur zwei Altersklassen“, erzählt Hopp amüsiert. Da stand der 14-jährige Bursche plötzlich auch schon mal den groß gewachsenen 18-Jährigen gegenüber. „Das war auch nicht schlecht. Es hat abgehärtet“, lacht Hopp.
Dietmar Hopp, daraus macht er kein Hehl, hatte größere Ziele. „Ich war schon getrieben davon, Geld zu verdienen. Also habe ich geschaut, wo der Bedarf und die Chancen am größten sind.“ Die Wahl fiel auf die Elektrotechnik, Fachrichtung Nachrich- tentechnik, quasi Vorläufer der Informatik, an der Technischen Universität in Karlsruhe. Die Zeit nach dem Abitur aber wollte er auch in anderer Beziehung sinnvoll nutzen. Also machte Hopp als erstes den Führerschein Klasse 2, damit das Schubkarren schieben auf dem Bau ein Ende nahm. Fortan fuhr er Lkw für den Baustoffhändler – und machte parallel Geld. „Ich habe bei den Fahrten ja immer gesehen, wer noch kein Garagentor hatte“, so Hopp. „Also habe ich denen welche verkauft.“ Jeden Samstagmorgen fuhr er die Baustellen ab. „Da war immer was los. In den Zeiten haben ja alle schwarz gebaut“, lacht Hopp. „Ich habe da viele Klinken geputzt, aber ich war auch ziemlich erfolgreich. Ich weiß auch nicht, warum.“ Der Geschäftsmann steckte längst in ihm.
Führungskraft: Der Student Deiineetmr EaxrkHuorspipon(Mauittfed)iebeZiug-
Den Umgang mit Enttäuschungen konnte er dabei trainieren. 60 Jahre später blitzen die einzelnen Spiele immer wieder auf. „Wir haben mal mit 0:12 gegen Zuzenhausen verloren. Das war fürchterlich.“ Hopp, der Stürmer, preschte weiter vor, war ein guter Schüler des Wilhelmi-Gymnasiums, außerordentlich begabt in den naturwissenschaftlichen Fächern. So gut, dass er in den letzten zwei Jahren vor dem Abitur Mathe-Nachhilfe gab. „Für zwei Mark die Stunde. Gutes Geld“, sagt Hopp.
Doch noch musste er sich gedulden, leistete bei der Magdebur- ger Maschinenfabrik in Sinsheim das obligatorische Praktikum zur Zulassung an der Universität ab. Und ging auf Wunsch der Mutter zur Bundeswehr. „Mein Bruder Rüdiger war gerade ins Studium gegangen“, so Hopp. „Da hat meine Mutter gesagt, dass sie zwei Studenten parallel finanziell nicht durchkriegt.“ Also ging der einsichtige Sohn zum Bund: „Eine Pf lichtübung.“ In Landsberg am Lech machte er im Herbst 1959 seine Grund- ausbildung, die Kompanie bestand nur aus Abiturienten, die zu Reserveoffizieren gemacht werden sollten. Auf Dietmar Hopp mussten sie verzichten. „Ich wollte den Klamauk nicht länger als notwendig machen“, sagt Hopp. Er hatte, wieder einmal, Glück. „Es war ein Jahrhundertsommer. Ich wurde nicht einmal nass.“
Die Sehnsucht nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit, nach beruflichem Erfolg – sie hat ihn getrieben. Zum Abitur gab es ein Buch als Anerkennung für „besondere Leistungen“ im Fach Mathematik. „Das Buch habe ich heute noch“, sagt Hopp. Ehrgeiz bei gleichzeitiger Bodenständigkeit – das hat ihn immer ausgezeichnet. Entsprechend zielgerichtet, strukturiert ging Dietmar Hopp auch die Berufswahl an. Es stand fest, dass es in Richtung Naturwissenschaft gehen sollte. Seine Mutter wünschte sich, dass der junge Dietmar Lehrer werden möge. Oder Pfarrer. Mathematik-Lehrer hätte sich angeboten, sagt der 75-Jährige heute. „Aber es war finanziell nicht aufregend genug.“
Zehn Pfennig pro Zeile bei der RNZ
Blick in die Hoffenheimer Kirchstraße Ende der 50er Jahre.
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SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
Im Radio lief Elvis Presley und Bill Haley, Dietmar Hopp war fokussiert. Und verliebt. Ein Freund hatte ihn mitgenommen. Zum Tanztee am Sonntagnachmittag, ins Haus der Jugend in Sinsheim. „Ich hab‘ noch gesagt: Ach nee. Was soll ich da?“ Er ging dann doch mit. Eine weise Entscheidung. Denn dort traf er die junge Anneliese Zeuner. Sie war knapp 16, vier Jahre jünger als Dietmar Hopp. Seither sind die beiden ein Paar, feierten 1967 ihre Hochzeit im Heidelberger Schloss.
All das war nicht klar, als der junge Dietmar Hopp 1960 nach Karlsruhe ging, ein kleines Zimmer bezog. „Es war grausam“, sagt Hopp. „Mir war sofort klar: Da verdiene ich noch irgendwie die 80 Mark, damit ich ins Studentenwohnheim komme.“ Er schaffte es. So wie er immer schon Möglichkeiten gefunden hatte, Geld zu verdienen. Auch als Lokalreporter der Rhein- Neckar-Zeitung, wo er die Familientradition fortsetzte.
Dietmar Hopp hatte schon als Jugendlicher ein klares Ziel: Er wollte erfolgreich sein. Als Spieler der TSG Hoffenheim brachte er es dabei zu einem privaten Gönner.
Im Berufsleben führte ihn sein Ehrgeiz nach dem Studium zum Computer-Konzern IBM. Es war der Ausgangspunkt einer beeindruckenden Karriere.
spitze mit zwei Komilitonen der Fachrichtung Nachrich- tentechnik der Universität Karlsruhe.
Dietmar Hopp erinnert sich:
KICKEN, KRIEG
UND KAUGUMMI
Es ist die Geschichte eines Mannes, der seiner Heimat stets treu blieb: 75 Jahre Dietmar Hopp sind auch 75 Jahre Kraichgau und die Region. In einer Art Geschichtsstunde wollen wir Erinnerun- gen aufleben lassen – seine eigenen und die der Region. Erster Teil: die Kindheit.

































































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