Page 68 - Spielfeld_Maerz_2016
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                  GESCHICHTSSTUNDE MIT DIETMAR HOPP, TEIL III
EINE WETTE VERÄNDERT DIE WELT
Im Jahr 1972 setzt Dietmar Hopp alles auf eine Karte – er will ein revolutionäres Softwareprogramm entwickeln und gründet mit vier IBM-Kollegen eine eigene Firma. Es wird der Weltkonzern SAP.
Für die meisten Menschen fühlt sich so vermutlich ein perfektes Leben an. Ein überaus gut bezahlter Job, dazu ver- meintlich absolut krisensicher, in nächster Nähe zur Heimat
und dazu das private Glück mit einer schwangeren Ehefrau, die das erste Kind erwartet. Man könnte sich den jungen Dietmar Hopp zu Beginn des Jahres 1972 also als überaus zufriedenen Menschen vorstellen. Als Kundenbetreuer der Weltmarke IBM ist der 31-Jährige ein gutes Stück vorangekommen auf dem Weg in die finanzielle Unabhängigkeit. Der Softwarekonzern zahlt gut, die Arbeitsplätze sind
überaus begehrt – und Hopp hat sich nach sechs Jahren ein herausragendes Ansehen erarbeitet.
In dieser Situation geht Hopp zum nächsten Kun- den – in die Fabrik des britischen Chemiekon- zerns Imperial Che- mical Industries (ICI)
im nahe gelegenen Östringen. Knapp 2.000 Menschen arbeiten in dem neuen Werk,
war der Schlüsselpunkt für die Gründung der SAP“, sagt Hopp. Schnell begriff das Duo, dass von Seiten der Software stets die gleichen Aufgaben zu bewältigen waren, egal ob Lohnbuchhal- tung, Einkauf oder Auftragseingang. „Ein echtes Aha-Erlebnis“ nennt Hopp es heute. In ihm ruht die Chance auf das selbst gesteckte Ziel: Reichtum, Erfolg. Dietmar Hopp spürt, dass er zugreifen muss. Und das Schicksal bietet ihm diese Chance, denn der EDV-Chef bei ICI, Hermann Meier, ist begeistert von den jungen IBM-Größen. „Wir haben ihm dann vorgeschlagen, ein Programm für ICI zu schreiben, in dem die Eingaben im Real-Time-Verfahren verarbeitet werden“, erzählt Hopp. „Das war außerordentlich kühn.“ Das sah damals auch Meier so –
und schüttelte nur den Kopf: „Jede Wette, das kriegt ihr im Leben nicht hin“, sagte Meier. Damit aber war der ohnehin brennende Ehrgeiz des jungen Dietmar Hopp nachhaltig
entzündet:
 Der Ausgangspunkt: eine Lochkarte,
damals das modernste Mittel zur Datenerfassung.
das die größ-
te Fabrik für
Nylonfäden in ganz
Europa ist. Kaum eine Frau
jener Zeit kommt ohne ICI-Fasern in den Damenstrümpfen aus.
„Aha-Erlebnis“ bei ICI in Östringen
Hopp soll die Auftrags- und Versandabwicklung von ICI moderni- sieren und dafür sorgen, dass sie auf dem IBM-Großrechner auch funktionieren. Denn es sind die Computer, damals noch riesige Kisten, die IBM über die Vermietung das große Geld bringen. „Die Betreuung war ja praktisch geschenkt“, sagt Hopp. Es hat ihm nichts ausgemacht. Der Job bei ICI war zumindest auch für IBM durchaus lukrativ, ein „Edelkunde“, so sagt Hopp. Und er bekam für diese Aufgabe einen neuen Assistenten zugeteilt: ein junger Mann, gerade 28, namens Hasso Plattner. So fing es an. „Es
„Wetten
darf man mit mir
nicht“, sagt er heute lachend.
„Wir haben in neun Monaten ein perfek-
tes Programm hingelegt.“ Um zu ermessen, wie
groß diese Leistung war, muss man sich die Entwicklung jener Zeit vor Augen führen. Der legendäre IBM-Großrechner, auf den ICI so stolz war, war ein hoher, klobiger Schrank mit lauter Knöpfen und Schaltern. Die Rechenleistung dagegen war, aus heutiger Sicht, geradezu bizarr bescheiden: Der Rechner
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Foto: Schlichi – Fotolia © SAP SE







































































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