Page 22 - Spielfeld_Maerz_2016
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                   JILOANS REISEN
Geboren als Sohn kurdischer Eltern aus dem Nordirak in einem Gefängnis in Baku, aufgewachsen im schwedischen Örebro, nach seiner Ankunft in Deutschland später in Richtung Belgien gewechselt: Mit 26 Jahren kann Jiloan Hamad auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Bei der TSG Hoffenheim hat er nun seine sportliche Heimat gefunden.
Jiloan Hamad hat einen weiten Weg hinter sich. Nicht bloß aus der Reha zurück auf den Rasen, sondern vor allem aus seiner Geburtsstadt Baku nach Hoffenheim. In der Hauptstadt Aserbaidschans wurde der Schwede, der auch Ausweispapiere des Irak besitzt, 1990 geboren – unter bemerkenswerten Umständen.
Aserbaidschan war damals noch eine Teilrepublik der Sowjetunion. Seine Eltern, die aus dem von Kurden bevölkerten Nordirak stammen, und seine kleine Schwester waren nach Baku gef lüchtet. „Mein Vater war Soldat, Freiheitskämpfer der Peschmerga, die heute gegen den Islamischen Staat kämpfen. Damals kämpften sie gegen Sad- dam Hussein“, schildert Jiloan Hamad einen Teil seiner bewegten Familiengeschichte. „Mein Vater war Kommunist und wurde im Irak verfolgt. Da er vorher schon öfter in Russland war und die Russen die Kurden unterstützen, f lüchtete er mit meiner Mutter, die mit mir hochschwanger war, und meiner einjährigen Schwester nach Baku.“
Bewegte Lebensgeschichte: Jiloan Hamad.
Doch die Sowjets waren zunächst skeptisch. „Sie wollten meinen Vater erst überprüfen. Also steckten sie meine ganze Familie zuerst ins Gefängnis. Sie sollte dort auf ihre Papiere warten.“ Es war kein Hochsicherheitsge- fängnis. „Aber wir waren eingesperrt. Ich kann eigentlich sagen, ich bin im Gefängnis geboren worden.“ Seine Mutter habe man zur Geburt dort ins Hospital gebracht. Danach ging die Odyssee der nun vierköpfigen Familie Hamad weiter. Wenig später waren die Sowjets überzeugt, dass Jiloans Vater die richtige Gesinnung hatte. Die Familie durfte nach Mos- kau übersiedeln, wo ein Onkel mit einer Russin verheiratet war. Es war keine Heimat – das wurde Schweden. „1992 sind wir dann nach Örebro gegangen“, erzählt Hamad. „Meine Eltern leben immer noch dort, aber sie haben auch ein Haus im Nordirak gekauft, wo sie jeden Winter hinreisen und ich sie manchmal besuche.“
„Für mich ist Hoffe mehr als nur ein Verein.“ JILOAN HAMAD
Die Nationalitätenfrage ist für Jiloan kein Problem. „Ich bin natürlich Kurde, ich kann aber ich nicht sagen, dass ich es zu einhundert Prozent bin. Ich liebe Schweden, das ist mein Land. Ich bin stolz, dass ich Schwe- den im Fußball repräsentieren darf. Ich bin also ein Schwede mit einem kurdischen Background. Sportlich verdanke ich Schweden alles“, erklärt der 26-Jährige. Seine Eltern arbeiteten aktiv daran, dass ihre Kinder in die Gemeinschaft in Örebro hineinwuchsen. „Mein Vater hat immer Wert dar- auf gelegt, dass wir alle uns sehr gut integrieren. Er sagte mir und meinen Schwestern: ‚Vergesst unsere Traditionen nicht, aber vergesst auch nicht, dass ihr nun Schweden seid.‘ Er hat dafür gesorgt, dass wir als Muslime, die aber nicht sehr religiös sind, nie eine Extrabehandlung in der Schule oder beim Essen bekommen haben. Ich verstehe heute, wo so viel über die Integration der Flüchtlinge gesprochen wird, noch viel besser, wie großartig mein Vater das gemacht hat. Ich habe den Hintergrund von zwei wunderbaren Kulturen und lebe diesen Mix.“
Als er im Winter 2014 nach Deutschland kam, erweiterte er seine multi- kulturellen Kenntnisse um ein weiteres Land. Bei der TSG hat er eine neue – wenn auch nur sportliche – Heimat gefunden. Dass die vergangenen zwei Jahre von Rückschlägen wie der Ausleihe zu Standard Lüttich und einem Kreuzbandriss begleitet waren, hat die Bindung zum Club dabei extrem verstärkt: „Für mich ist Hoffe jetzt mehr als nur ein Verein.“
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