Page 15 - Spielfeld_Maerz_2016
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                 Profis
 „Ich habe meine Fußballklamotten eingepackt, nur um im Hotel festzustellen, dass schon alles doppelt und dreifach bereitstand. Als mich Frank Kramer später im Stadion zum Aufwärmen nach draußen schickte, hatte ich keine Ahnung, wo ich überhaupt hinmusste. Da waren 1.000 Gänge und ich bin erst einmal eine Zeit lang in den Katakomben umhergeirrt. Und dann habe ich zuerst die Hütchen in der falschen Hälfte aufgebaut. Ich ging dann hinüber auf die andere Seite und bin dabei dem Stadionsprecher, der auf der Leinwand zu sehen war, durchs Bild gelaufen. Der sagte dann ins Mikro: ‚Hey, nicht einfach so mitten durchlaufen.‘ Dann gab es erstmal ein Pfeif konzert.“
Ein großer Wunsch für die erste Saison
In Bremen, dem Ort glorreicher Fußball-Schlachten, nicht die Spur der einstigen Orientierungslosigkeit: Fokussiert und ziel- strebig präsentiert sich Nagelsmann und lässt sich auch nicht vom schnellen Gegentor oder dem Platzverweis für Kramarić beirren. Seine Wechsel sind offensiv, sein Auftreten engagiert, seine Analyse nach dem Abpfiff ausgeruht. Nachdem er, allein auf dem Rasen des nun leeren Stadions, seine erste Live-Schalte ins Sky-TV-Studio absolviert, betritt er die Pressekonferenz. Erneut klicken die Kameras, dann zieht er auf dem Podium Bilanz seines Debüts. Offen, wohl überlegt und eloquent: „Es war ein Punktgewinn für uns. Bremen hatte über die gesamte Spielzeit die besseren Chancen.“
Auf dem Platz hofft er im weiteren Saisonverlauf auf noch mehr Temperament und Adrenalin. Rund um den Trainer, der auch im Anschluss an die Pressekonferenz von Dutzenden Journalisten belagert wurde, könnte es nach den Vorstellungen des Rekordmannes in der Zukunft hingegen etwas ruhiger zugehen: „Ich habe mich mit dem Drumherum nicht so viel beschäftigt. Das möchte ich auch in Zukunft so handhaben. Klar gibt es ein öffentliches Interesse, damit muss man als Trainer in der Bundesliga klarkommen.“ In den Fokus soll auf der Ziel- geraden der Saison aber die Mannschaft rücken, Nagelsmann erhofft sich nur eine Schlagzeile: „Es wäre schön, zu lesen, dass ich als jüngster Bundesligatrainer mit Hoffenheim die Klasse gehalten habe.“
PRESSESTIMMEN
„Nach einer Minute Taktikbesprechung mit Nagelsmann hatte man schon mehr Stoff zum Nachdenken beisammen als manch anderes Mal nach 90 Minuten Fußball. Klar, dass es dazu verleiten konnte, dem neuen Trainer eine gewisse (jung-)professorale Attitüde zuzuschreiben. Aber manchmal gehört bekanntlich den Mutigen die Welt. Und bei einem anderen Herrn (...) dauerte es ja auch eine Weile, ehe die Substanz seines Telekollegs zur Viererkette bis zum Publi- kum durchsickerte. Heute käme vermutlich niemand mehr auf die Idee, Ralf Rangnick den Titel „Fußball-Professor“ in spöttischer Absicht zu verleihen. In Hoffenheim, das war in Bremen zu sehen, hat das Labor wieder geöffnet, das Rangnick einst eingerichtet hatte, von dessen Nachfolgern aber nur sehr sporadisch genutzt wurde. Der neue Leiter, Nagelsmann, zeigte als erste Kostprobe eine ziemlich mo- derne und in jedem Fall mutige Variante, ein Fußballspiel anzugehen.“
„Nagelsmann hat nicht nur keine Erfahrung im Abstiegskampf, er hat bisher nicht als Profitrainer gearbeitet. Dafür verfolgt er einen Ansatz wie einst Gisdol. Nagelsmann will Hoffenheim wieder zu Hoffenheim machen, guten Fußball spielen – auf dass sich der Rest ergebe. Man kann es für wagemutig halten, vielleicht sogar für schrecklich naiv. Eins ist es ganz sicher: konsequent.“
„Nagelsmann sofort ins kalte Wasser zu werfen (...) ist mutig. Oder vielleicht einfach ein Schritt zurück zu den Wurzeln. Selbst, wenn es nicht klappen sollte mit dem Klassenerhalt – dann hätte man wenigstens endlich wieder einen, mit dem ein langfristiges Projekt möglich ist. Denn Hoffenheim war stark, als es seinen eigenen Weg ging und schwach, als es machte, was alle taten.“
„Hoffenheims Weg mit Bundesliga-Neuling Nagelsmann ist mutig und richtig. Die Kraichgauer kehren einfach nur etwas früher als geplant zu ihren sportlichen Wurzeln zu- rück. Doch selbst wenn am Saisonende ein Hoffenheimer Abstieg Realität werden sollte – der eingeschlagene Weg ist alternativlos. 1899 Hoffenheim steht längst nicht mehr für einen offensiv und innovativ geprägten Fußball-Club. Umso wichtiger wird es für Hoffenheim sein, das eigene Profil deutlich zu schärfen. Der junge Julian Nagelsmann könnte dafür genau der richtige Mann sein.“
     Souverän: Julian Nagelsmann bei
der Live-Schalte ins Sky-Studio nach dem Spiel in Bremen.
 SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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