Page 72 - Spielfeld_Februar_2016
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 Es war ein Erfolg, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Doch genau diese Meisterprüfung katapultierte den stets gut gelaunten Dänen auf den Wunschzettel vieler international hochkarätiger Clubs. Er nutzte damals die Gunst der Stunde und unterschrieb wenige Monate nach dem unerwarteten Titelgewinn einen Vertrag bei den Rhein-Neckar Löwen. So schnell kann‘s gehen. „Ich wollte schon immer in die Bundesliga”, so Jacobsen, „aber es sollte unbedingt ein Topclub sein.”
Den hat er nun. Für ein anderes Engagement hätte er Dänemark wohl nicht verlassen. Dazu ist Jacobsen zu sehr Familienmensch. Mit seiner Frau Lenette lebt er seit 23 Jahren zusammen, das Paar hat drei Kinder – und mit dem Dienstbeginn bei den Löwen war er erstmals für einen langen Zeitraum von ihnen getrennt. Er hat so viel versäumt, unter anderem die Einschulung seines Sohnes Linus. „Das war eine schwere Zeit für mich, aber wir haben zusammen entschieden, den Schritt zu machen“, sagt Jacobsen. „Ein Team wie die Löwen übernehmen zu können, so eine Chance wäre vielleicht nie wiedergekommen.“
„Ich analysiere intensiv, aber ich bin kein Nerd.” NIKOLAJ JACOBSEN
Jacobsen plante sofort langfristig, suchte sich ein Haus in Leimen und ist längst wieder mit seinen Liebsten vereint. Alles läuft nach Plan, nicht einmal den „Scheiß-Nordsee-Wind” vermisst er. Nur den hiesigen Dialekt, den versteht er noch nicht. „Wenn unser Busfahrer und unser Betreuer miteinander reden, dann habe ich keine Chance”, so Jacobsen schmun- zelnd. „Und das sind noch nicht einmal die Schlimmsten.” Für jedes seiner Kinder hat er sich einen großen Stern auf den Unterarm tätowieren lassen, für jeden gewonnenen Titel einen kleineren. Das nächste Tattoo soll nun bald folgen, ein kleines natürlich.
Im Vorfeld der laufenden Saison hatte wohl niemand die Löwen ernsthaft auf der Rechnung. „Da gab es zwei Clubs, die viel größer waren als wir”, sagt Jacobsen. Er meint die Flensburger und den THW. Jetzt aber sieht es so aus, als spielten die Löwen eine Saison, „in der das Unmögliche passieren kann”. Dass ausgerechnet seine ehemaligen Kieler die ärgsten Rivalen sind, ist schon kurios. Seine guten Erinnerungen an Kiel und die Zeit mit seinem strengen Trainer kann das aber nicht trüben: „Ich habe von Noka Serdarusic viel gelernt. Wir sind unterschiedliche Charaktere. Ich habe nicht immer alles so ernst genommen, wie er sich das wünschte.“
So ist Jacobsen: Er geht seine Aufgabe unaufgeregt an. Diese Unbeküm- mertheit ist ihm wichtig, vielleicht sogar sein Erfolgsgeheimnis. „Ich analysiere unsere Spiele und den Gegner intensiv, aber ich bin kein Nerd.” Seine Arbeit in Mannheim, seine Philosophie, sein taktisches Verständnis und nicht zuletzt seine erfolgreiche Arbeit mit jungen Leuten bescherten dem Team nun diese unerwartete Ausgangsposition für den am 10. Feb- ruar beginnenden zweiten Saisonabschnitt. Jetzt wollen die Löwen den Titel, auch wenn mit Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki die wohl beste Flügelzange der Welt den Rückrundenauftakt verletzungsbedingt verpassen wird. Auch im Pokal stehen die Löwen kurz vor dem Einzug ins Final Four, und in der Champions League wollen sie so weit wie möglich kommen. „Aber die Meisterschaft, das ist der mit Abstand wichtigste Titel”, so Jacobsen. Er könnte den Traum des ganzen Clubs wahr werden lassen, der gern mal als „ewiger Zweiter“ apostrophiert wird. Dazu muss Nikolaj Jacobsen nur einem weiteren seiner prägenden Charakterzüge folgen: „Ich verliere äußerst ungern.“
INFO
Name: Nikolaj Jacobsen Geburtstag: 22. November 1971 Geburtsort: Viborg (Dänemark) Größe: 1,84 Meter
Frühere Position: Linksaußen
Vereine als Spieler:
1984 – 1997 1997 – 1998 1998 – 2004 2004 – 2007 2009
Gudme (Dänemark) Bayer Dormagen
THW Kiel
Viborg (Dänemark) Bjerringbro (Dänemark)
Vereine als Trainer:
2004 – 2007 2007 – 2011 2012 – 2014 2014 – lfd.
Viborg (Co-Trainer) Bjerringbro (Co-Trainer) Aalborg Håndbold (Dänemark) Rhein-Neckar Löwen
Länderspiele: 148 (584 Tore) Bundesliga-Spiele: 174 (1136 Tore)
Erfolge als Spieler:
3 x Deutscher Meister (1999, 2000, 2002) 2 x DHB-Pokal-Sieger(1999, 2000)
2 x EHF-Cup-Sieger (2002, 2004)
1 x Champions-League-Finalist (2000)
3 x Dänischer Meister
5 x Dänischer Pokalsieger
Erfolge als Trainer:
Dänischer Meister 2013
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