Page 77 - Spielfeld_Dezember_2015
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                  Sind Sie privat manchmal auch eher nostalgisch und rückwärtsgewandt?
„Ich lege Wert auf Stil, ziehe mich vielleicht etwas altmodisch an. Ich will kein Mensch sein, der sich das kauft und anzieht, was ihm die Industrie vorsetzt. Fahren Sie doch mal U-Bahn. Alle haben die gleichen Klamotten an und iPods in der Hand. Das ist erschreckend uniform.“
Ihr Programm heißt „Let’s misbehave“ („Lasst uns daneben benehmen“). Werden die Rhythmus Boys Gitarren zertrümmern?
„Alles ist erlaubt. Wir wildern vornehmlich im angloamerika- nischen Bereich und haben uns Jazzstandards vorgenommen, die wir musikalisch dekonstruieren, um sie dann in ganz ei- genwilligen, skurrilen Arrangements wieder neu aufzubauen.“
Stimmt es, dass Sie sich Ballett-Tutus schneidern lassen?
„Ja, wir tanzen ein Cancan, vielleicht einen siamesischen Tem- peltanz oder einen zentralafrikanischen Fruchtbarkeitstanz. Ich habe keine Ahnung, was genau passieren wird.“
Können Sie sich vorstellen, irgendwann nur noch Musik zu machen?
„Natürlich! Ich kann mir aber auch vorstellen, irgendwann mal ein kleines Lokal zu haben, mich ans Klavier zu setzen und mit einem Stehgeiger zur Unterhaltung aufzuspielen. Eine wunderbare Mischung aus guter Gastronomie, dunklen Räumen, Ruhe und hübscher, wackeliger, alter Tanzmusik.“
ZUR PERSON
Ulrich Tukur wuchs in Westfalen, Hessen und Niedersachen auf. Er studierte zunächst in Tübingen Germanistik, Anglistik und Geschichte. Nach einem abgeschlossenen Schauspielstudium in Stuttgart wurde er 1983 von den Städtischen Bühnen Heidel- berg engagiert. Es folgten unzählige Rollen (u.a. Hamlet, John Rabe, Tatort-Ermittler Felix Murot) auf der Bühne und vor der TV-Kamera. Tukur wurde unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis, dem Goldenen Bären, der Goldenen Kamera und dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Seit 1999 lebt der 58-Jährige mit seiner Frau in Venedig auf der Insel Giudecca.
In Italien oder Deutschland?
„Eher in Deutschland. Ich bin gerne in meinem Vaterland. Aber es ist auch gut, dass ich es meist aus der Ferne sehe. So entwickelt sich eine ganz andere Sehnsucht.“
Heimat ist Ihnen fremd?
„Ich habe natürlich den Wunsch, irgendwo anzukommen, aber ein sehr kluger Mensch hat mal zu mir gesagt: ‚Das werden Sie nie können, denn sie gehören an viele Orte. Wenn Sie sich auf einen konzentrieren, werden Sie unglücklich.‘ Ich muss wohl einfach hier und dort sein, unterwegs. Wenn ich angekommen bin, bin ich tot.“
Region
   TERMINE
Am Samstag, 12. und am Sonntag, 13. Dezember, tritt Tukur mit seinen Rhythmus Boys jeweils um 20 Uhr im Stuttgarter Theaterhaus auf. Am Dienstag, 15. Dezember, kommt das Quartett um 19.30 Uhr nach Ludwigshafen
ins Theater im Pfalzbau.
SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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