Page 59 - Spielfeld_Dezember_2015
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Inzwischen besteht sein „Team Barrierefrei“ aus vier Helfern, sie kümmern sich um praktische Dinge wie Behindertenzugänge, Betreuung, Audioübertragung für Sehbehinderte oder den Service der Gebärdenspra- che. Mildenberger tritt mit einer Fußball-Mannschaft von körperlich und geistig Behinderten im Namen der TSG bei internationalen Turnieren an, vertritt dort die blau-weißen Farben.
„Es geht darum, Brücken zu bauen“
Aber ebenso geht es um den Zugang zum Thema, darum „Brücken zu bauen“ – und Hemmnisse im gegenseitigen Umgang abzubauen. „Wir brauchen mehr Berührungs- punkte“, sagt Mildenberger, der darauf hofft, dass die TSG eine bundesweite Vorreiterrolle einnimmt. „Wir müssen das Zugpferd TSG nutzen, um für das Thema Inklusion zu werben“, sagt Mildenberger. „Das haben wir uns alle bisher zu wenig zu Nutze gemacht.“ Er träumt davon, Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung zu- sammenzubringen, das Thema in Schulen zu tragen, denn er vertraut der emotionalen Bindungskraft des Fußballs. „Da musst Du säen, dann kannst Du es gesellschaftlich später ernten.“ Denn da „geht es um Werte, um Dinge, die es nicht im Supermarkt, nicht im Fanshop zu kaufen gibt.“ Aber doch so viel wertvoller sind. Nicht nur für Charly Mildenberger.
Verein
 Zusammen sind wir stark: TSG-Profi Tarik Elyounoussi (l.) beim gemeinsamen Training mit Behinderten.
   Er machte ab 1987 eine Ausbildung zum Heil- und Er- ziehungspfleger in der Johannes-Diakonie; doch nach der Ausbildung war Schluss: „Weil ich als Einziger den Mund aufgemacht und Missstände angesprochen habe.“ So empfindet er es.
Diese konsequente Haltung, der Verzicht auf überborden- de Diplomatie, er hat sich diese Art bewahrt. So kam er zum Pilgerhaus nach Weinheim, einer Einrichtung der Jugend- und Behindertenhilfe. Seit knapp einem Vier- teljahrhundert hat Michael „Charly“ Mildenberger seine Berufung gefunden. Er kümmert sich als Bereichsleiter um die offenen Angebote, die Tagesgruppen, organisiert Bildungsreisen und Urlaubsangebote, sitzt im Heimbei- rat. Mildenberger mischt gern überall mit. Ein „Hans Dampf“ mag er sein.
Plötzlich war Spitzenfußball ganz nah
Eigentlich sollte es ihn ausfüllen, aber der rastlose Fußball-Fan sah direkt nebenan einen Fußballverein wachsen. „Ich habe das soziale Engagement von Dietmar Hopp immer sehr geschätzt“, sagt Mildenberger. Und als es mit der TSG größer und immer größer wurde, „habe ich mir gesagt: Hey, guck mal, so was Tolles bei uns in der Region, da muss ich doch mal gucken.“ Es dauerte nicht lang, bis Mildenberger erkannte, welche Chance auch für die behinderten Menschen in seinem Umfeld darin liegt. Er hatte zuvor für die Bewohner des Pilger- hauses Reisen zu Schalker Spielen organisiert – mit viel Aufwand, langen Fahrten. Plötzlich war alles ganz nah, ganz neu. Und so gründete Mildenberger 2008 im Jahr mit insgesamt 17 Personen den „Integrativen Fanclub“. Inzwischen ist die Gruppe auf 150 Personen angewach- sen – und Mildenberger längst ein fester Bestandteil der TSG-Welt.
Als er 2008 zur Versammlung des Fan-Dachverbands erschien, sprach ihn Stadionsprecher Mike Diehl an, ob er sich vorstellen könne, ehrenamtlich als Behindertenfanbeauftragter zu helfen. Der Lohn war ein Parkplatz und eine Arbeitskarte – aber vor allem die Chance, den Menschen mit Handicap bes- sere Möglichkeiten zu bieten, aktiv zu helfen, den Stadionbesuch für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, zu erleichtern. Mildenberger packte zu.
 






















































































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