Page 32 - Spielfeld_Dezember_2015
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                FORTSCHRITT DURCH RÜCKSCHRITT
In der Jugend der Stuttgarter Kickers wurde Jeremy Toljan vom Angreifer zum Außenverteidi- ger umfunktioniert – und wurde auf dieser Position Junioren-Nationalspieler. Seit 2011 ist der 21-Jährige bereits bei der TSG aktiv. In dieser Saison rückte er auch durch sein erstes Tor in der Bundesliga mehr in den Mittelpunkt. Eine Rolle, die ihm allerdings gar nicht so behagt.
 Jeremy Toljan – dynamisch, schnell, fokussiert. Hier im Trikot der U21 beim 4:0-Sieg im Oktober in der EM-Qualifikation gegen Finnland.
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 Jeremy Toljan ist vielleicht ein typischer 21-jähriger US-amerikanisch-kroatischer Schwabe. Ein typischer 21-jähriger Fußball-Profi ist der gebürtige Stuttgarter
aber eher nicht. Sein Körper ist frei von Tattoos. Seinen Kopf ziert keine außergewöhnliche Frisur. Und auf die mit der Karriere verbundene Aufmerksamkeit hat er eigentlich keine Lust: „Ich muss nicht im Mittelpunkt stehen, das ist nicht so mein Ding. Man kann gern über die anderen reden und ich mache meine Arbeit im Hin- tergrund, das stört mich nicht.“
Dem Faible für Nicht-Beachtung steht allerdings sein großes Talent entgegen. Und so hat sich das Interesse am Hoffenheimer Außenverteidiger seit seinem Profi-Debüt 2013 gegen Mainz stark erhöht. Nach starken Leistungen bei der TSG wurde Toljan in die U21-Nationalmannschaft berufen und erhielt Angebote aus dem In- und Ausland. Beim 2:4 in Wolfsburg gelang ihm im Oktober schließlich sein erstes Bundesligator. „Das vergisst man nie. Zumal ich ja Verteidiger bin und nur selten Tore erziele.“ Der Anschlusstreffer zum 1:2 spiegelte viele Facetten des Profis Jeremy Toljan wieder: Langer Sprint. Überlegter Abschluss. Kein extrovertierter Jubel. „Ich war sehr weit weg vom Tor und habe über alle Optionen nachgedacht: Gleich schießen? Noch ein Kontakt? Langes Eck? Kurzes Eck? Es waren viele Gedanken, zum Glück habe ich es gut gemacht.“
Die Freude äußerte sich in einem maximal minimalis- tischen Jubel. Sein erstes Profi-Tor feierte er mit einer angedeuteten Jubelgeste mit der linken Hand und einem kurzen Hüpfer. Dann drehte er ab in Richtung der eige- nen Hälfte. Ohne Pose für die Kameras, ohne Jubeltrau- be. Toljan war verärgert, der Zorn über die schlechte Leistung legte sich erst weit nach dem Spiel. „Wir waren zu dem Zeitpunkt völlig verdient 0:2 zurück. Das war ein bisschen doof. Aber nachher war die Freude schon groß, das war schon cool und ein sehr positives Erlebnis.
  


























































































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