Page 15 - Spielfeld_Dezember_2015
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                 Ärgert es Sie manchmal, dass Sie aufgrund Ihrer Dis- ziplin den Ruf haben, eher konservativ zu sein?
„Ich habe immer gesagt, diejenigen, die mich am besten ken- nen, also meine Mutter, die leider verstorben ist und meine Frau, wissen, wie ich wirklich bin. Die anderen sind nicht so wichtig. Die Leute können doch über mich reden, das ist mir egal. Ich mache doch auch mal einen Flachs darüber. Ich habe keine Probleme damit, weil ich weiß: Die Leute kennen mich nicht. Das sind doch außerdem
Sie haben mal ein niederländisches Sprichwort bemüht, um Ihre Rolle als Spieler zu erklären: ‚Wenn man Steine aufeinanderlegt, muss der Zement gut sein. Und ich war der Zement.‘
„Damit meinte ich, dass man in einer Mannschaft immer eine gute Balance haben muss. Man braucht eine bestimmte Basis. Und ich habe unserer Mannschaft damals die defensive Basis gegeben. So konnten andere Spieler ihre offensiven Qualitäten
Momentaufnahmen. Dann bin ich mal wieder der Knurrer. Aber wenn ich mit meinem Laptop unterwegs bin, ist das nicht so wichtig. Ich werde trotzdem als alt abgestempelt. Das ist schon okay.“
Die Spieler kennen Sie und Ihren Ruf aber ja auch nur aus Zeitun- gen. Sind die Profis manchmal überrascht von Ihnen?
„Ich finde das gar nicht wichtig, wie sie mich sehen. Viel wichtiger ist, wie sie sich zusammen sehen. Ich bin ja nur ein kleiner Ausschnitt in ihrer Karriere. Aber ich versuche, der Mannschaft etwas zu geben und bewusst zu machen, was in der Si- tuation wichtig ist. Und dann ist es nicht wichtig, wie ein Spieler über mich denkt.“
Sie haben schon mehrfach Teams gerettet. Merken Sie, dass Sie durch Ihre bloße Ankunft ein bisschen Zuversicht bei den Spie- lern auslösen, weil Sie wissen, was Sie in solchen Situationen tun müssen?
„Das weiß ich nicht. Aber natürlich hilft meine Erfahrung. Die Situation ist nicht einfach. Das habe ich den Jungs auch gesagt. Sie müssen sich bewusst machen, dass es eine Minute vor zwölf ist.“
STEVENS UND DIE BERÜHMTE NULL
Ein einziger Satz hat ihn berühmt ge- macht: „Die Null muss stehen.“ Egal, wo der heute 61-Jährige auftaucht: Diese Maxime wird sofort als sein vermeintli- cher Leitspruch herausgekramt. Stevens lächelt: „Ich habe ihn eigentlich nur ein einziges Mal bewusst gesagt“, sagt der Trainer. „Vor dem Uefa-Cup-Viertelfinale 1997 gegen den FC Valencia. Wir hatten zuerst ein Heimspiel. Und ich wollte betonen, dass wir kein Gegentor bekom- men dürfen.“ Etwas, dass – nicht zuletzt aufgrund der Europapokal-Arithmetik – jeder Trainer unterstreichen würde.
Stevens aber verfolgt dieser Satz seit nunmehr 18 Jahren. Dem Niederländer ist das herzlich egal: „Das stört mich wirklich überhaupt nicht. Da stehe ich drüber.“ Denn immerhin: „Mit diesem Satz bin ich als Holländer in Deutschland so bekannt geworden wie vor mir nur Rudi Carrell.“ Übrigens: Schalke siegte im Heimspiel 2:0, kam durch ein 1:1 in Valencia weiter. Und triumphierte später in den zwei Endspielen gegen Inter Mai- land. Nach einem 1:0 im Heimspiel.
ausspielen. Obwohl: Ich habe ab und an auch mal ein Tor geschossen. Sogar eins per Fallrückzieher. Davon habe ich immer noch Rückenschmerzen (lacht). Ich war einer der Spieler, der so gedacht hat wie der Trainer. Das meine ich mit Zement.“
Was fehlt Ihnen hier: eher Stein oder Zement? Die Spielergenera- tion strotzt ja vor technischem Talent.
„Es gehört mehr dazu, nicht nur eine gute Ausbildung. Du musst die rich- tige Mentalität haben. Die muss man auch in der Jugend schulen. Es laufen genügend Spieler mit technischen Qualitäten herum. Aber früher hatte man viel mehr Leitwölfe. Aber ich hoffe doch, dass da einige aufstehen werden, um mitzuhelfen.“
Wenn alle auf einem hohen Ni- veau ausgebildet sind, wird die Mentalität zum entscheidenden Faktor.
„Das ist immer so. Es gibt zwei Ex- treme: Angst und Verunsicherung auf der einen, Überheblichkeit oder Zufriedenheit auf der anderen Seite. Man muss sich immer dazwischen bewegen. Ich sage immer, wenn ich über die ganze Karriere zurückblicke: ein Spieler mit 70 Prozent Qualität und 30 Prozent Mentalität schafft es nicht gegen einen Spieler, der 70 Prozent Mentalität und nur 30
Profis
  Ist es für Sie ein Vorteil, dass Sie in den Mo- naten hier sagen können: Ich muss keine Rücksicht nehmen?
„Ist es. Ich brauche keine Rücksicht nehmen auf einen Spieler, der momentan nicht bringt, was in ihm steckt. Der spielt nicht, bei allem Respekt. Ich kann doch nicht stän- dig die Hand über ihn halten und sagen: ‚Du bist so gut und hast so viel Qualität‘. Er muss jetzt die Leistung bringen. Ich nehme die Spieler, die ihre Leistung bringen, für die Mann- schaft. Ich sage aber auch immer: Wenn ein 30-Jähriger die gleiche Leistung bringt wie ein 18-Jähriger, dann nehme ich den 18-Jährigen. Weil er noch länger eine Rolle spielen wird.“
Prozent Qualität hat. Der kommt weiter. Und daran müssen wir arbeiten.“
Fällt das den Spielern heutzutage schwerer, nicht zu schnell zufrieden zu sein?
„Dann bin ich als Trainer da, um das zu steuern und ihnen zu helfen. Fußballer müssen auf dem Platz auffallen. Mit der Mannschaft. Und nicht außerhalb des Rasens. Man kann noch so ein guter Spieler sein, aber man braucht Balance auf dem Platz. Denn wenn du 11 Ronaldos oder 11 Messis hast und spielst gegen eine Mannschaft mit guter Balance – dann verlierst du.“
SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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