Page 12 - Spielfeld_Dezember_2015
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                 „MEIN VATER HAT NIE MEINE TASCHE GETRAGEN“
Huub Stevens, 61, will die TSG Hoffenheim in der Tabelle wieder nach oben führen. Im SPIELFELD spricht der niederländische Trainer über Mentalität, technischen Fortschritt, Zufriedenheit junger Spieler und die Auswirkungen des frühen Todes seines Vaters auf sein Leben und seine Karriere.
Herr Stevens, Sie sind viel rumgekommen in Deutschland, die TSG ist bereits Ihre sechste Station in der Bundesliga. Haben Sie schon
etwas vom Kraichgau sehen können?
„Zumindest kenne ich das Trainingsgelände jetzt besser als am Anfang (lacht). Alles andere eigentlich nur aus dem Au- tofenster. Ich hatte bislang keine Zeit, mich umzuschauen. Man ist mit der Mannschaft beschäftigt, zudem gucke ich auch die Spiele der U23 oder U19 an. Da sind viele Talente, die ich sehen will.“
Bei Ihren frühen Stationen haben Sie stets betont, dass Ablenkung im Abstiegskampf wichtig sei. Sie haben sogar einmal als aktiver Fußballer nebenbei Autos verkauft.
„Ich habe zuletzt vier Monate Ablenkung gehabt und bin wieder voll dabei. Für einen Trainer ist das anders als für einen Spieler. Als Spieler bist du nur mit deiner persönlichen Situation beschäftigt, als Trainer musst du das große Ganze rund um die Mannschaft im Blick haben. Man ist verant- wortlich für alles.“
Empfinden Sie das als Druck?
„Nein. Und außerdem komme ich mit Druck gut klar. Seit meiner Jugend lege ich mir Druck auf, um Leistung zu bringen. Später auch als Profi wie als Trainer. Und das tue ich hier auch.“
„Ein Tag, an dem man nichts lernt,
ist ein verlorener Tag. Und ich lerne
auch immer noch dazu.“
Huub Stevens
Ist es ein Unterschied, eine Mannschaft im Abstiegs- kampf zu übernehmen oder um Titel zu spielen?
„So sehe ich das nicht. Ich möchte ja trotzdem jedes Spiel gewinnen. Wenn man nicht gewinnt, ist man enttäuscht und versucht, das Beste daraus zu machen, um nächstes Mal
besser zu sein. Man versucht immer wieder zu lernen. Das bleibt immer so. Ich habe auch erst vor Kurzem erfahren, dass ich jetzt einer der ältesten Trainer in der Bundesliga bin. So fühlt es sich nicht an.“
Sie sind seit 1996 in der Bundesliga tätig. Der Fußball hat sich grundlegend gewandelt.
„Natürlich. Aber es muss sich auch alles verändern. So kommen wieder neue Dinge hinzu. Der Fußball ändert sich, die Spieler sind nicht mehr so wie früher. Sie sind anders erzogen und aufgewachsen, damit hat man in der Mannschaftsführung zu tun, das ist doch klar. Wir hatten früher keine Handys, Tablets und Kopfhörer. Nicht mal Internet, da hatten wir nichts mit am Hut. Heutzutage haben die Spieler das alles und müssen sich trotzdem auf das Wesentliche konzentrieren. Das ist nicht so einfach. Und wenn ich im Training dasselbe tun würde wie früher, lachen sie mich aus. Das geht nicht.“
Also nutzen Sie die modernen Mittel.
„Das habe ich schon immer gemacht. Ich habe früher alle möglichen Daten in einen Computer eingetippt. Und nun hat man auch Mittel bekommen, die man nutzen kann. In der Kommunikation oder der Leistungsdiagnostik. Das ist doch super, dass man mit einem Analysten arbeiten kann, der be- stimmte Dinge aufzeigen kann. So etwas gab es früher nicht.“
Macht es Ihnen Spaß, die technischen Hilfsmittel zu nutzen?
„Riesigen Spaß. Ich habe früher schon gesagt: ein Tag, an dem man nichts lernt, ist ein verlorener Tag. Und ich lerne auch immer noch dazu. Man muss für Neuerungen offen sein. Ich kam als Spieler nach Italien, da liefen die Profis mit riesigen Apparaten an den Ohren durch die Gegend. Da habe ich gedacht: Was ist das, was machen die da? Das waren die ersten Handys. Und wir dachten: Wie laufen die denn hier rum? Dann hat es sich durchgesetzt. Und so ist es heute auch: Man muss dem technischen Fortschritt aufgeschlossen gegenüberstehen, weil es sich immer weiterentwickeln wird. Und ich versuche, da mitzukommen und mitzuhalten.“
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