Page 53 - Spielfeld_November_2015
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   FANCLUB „FC 1899 BERLINXBERG“
BERLINER BLAU-WEISSE MIT SCHUSS
Der Exil-Badener Johann Maria Just liebt Gegensätze – 2008 gründet er in Kreuzberg einen Hoffenheim-Fanclub. Wie aus anfänglicher Beschimpfung Bewunderung wurde.
Brandenburger Tor, Reichstag, East Side Gallery, die Weltzeituhr am Alex – Berlin hat unzählige Wahr- zeichen und Fotomotive. Über dem Kreuzberger Ora-
nienplatz weht eine Sehenswürdigkeit, die man weniger mit Berlin verbindet, an der aber trotzdem kaum ein Foto-Tourist achtlos vorbei geht: die blau-weiße Fahne des Fanclubs 1899 BerlinXberg, dem ersten und einzigen Hauptstadt-Fanclub der TSG 1899 Hoffenheim.
Die Fahne hängt aus der Wohnung des Vorsitzenden Johann Maria Just. „Wenn die Leute aus dem Bus steigen und die Fahne sehen, wird erst mal ein Foto gemacht. Das erwartet hier einfach keiner. Ich bin halt ein Exot“, sagt er. Und immer wieder kommt die Frage: Warum ein Hoffenheim-Fanclub in Berlin-Kreuzberg? Just ist Exil-Badener, zog 1977 von Balzfeld nach Berlin. Aber nicht nur seine Herkunft, auch die Spielweise der TSG war entscheidend. Just und zwei Freunde reisten im April 2008 zu einem Hoffenheim-Heimspiel. Die TSG besiegte Jena mit 5:0. „Diese erfrischende Art zu spielen imponierte uns. Und dann hieß uns noch der Fanbeauftragte Emil Vetter so unheimlich herzlich willkommen. Wir fühlten uns sofort wohl“, erinnert sich der 61-Jährige, der früher selbst aktiver Kicker bei Hansa 07 Berlin war.
Bei jedem TSG-Tor wird für ein Tafel-Projekt gespendet
Schon kurze Zeit später gründeten sie den Fanclub – „28 Jahre nach Lennon“, wie es auf dem Logo heißt. Just ist Len- non-Fan, sein Club stehe wie der Musiker „gegen Rassismus und Gewalt“ ein. „Unser chaotisches Kreuzberg und das be- schauliche Hoffenheim mit dem Mäzen Hopp. Das mussten wir einfach machen“, sagt der Alt-Linke. Ein Widerspruch? Nur auf den ersten Blick. „Dietmar Hopp ist ein Gutmensch. Was er alles für die Region tut, ist enorm. Das weiß hier ja kaum jemand.“ Eine Parallele zu Hopp: Auch der Berliner Fanclub tut Gutes, im Kleinen. Jedes Mitglied spendet pro Tor 50 Cent an ein Tafel-Projekt der Berliner Kirchengemeinde St. Jacobi. „Momentan kommt da leider nicht so viel zusammen“, sagt er. Dennoch blickt Just optimistisch in die Liga-Zukunft: „Es findet gerade einfach ein riesiger Umbruch statt. Salihović ist weg, Firmino ist weg. Aber das Team gefällt mir jetzt schon wieder besser.“
Die anfänglichen Reaktionen in der Hauptstadt bezeichnet Just vorsichtig als „schwierig“. Wüste Beschimpfungen waren keine Seltenheit. „Da war natürlich viel Neid dabei“, sagt er. Heute passiere das kaum noch: „Unser Umfeld und auch wir selbst sind viel gelassener.“ Wenn sie heute stilecht im
Der Vorstand: Bernd Schwenkros, Johann Maria Just und Martin Kapp (v.l.).
alten Trabi – Kennzeichen: „B - FC 1899“ – zu den Spielen reisen, sind die Reaktionen überwiegend positiv. Ebenso die Antwort auf eine Anfrage an das Hoeneß-Unternehmen HoWe Wurstwaren KG. Just organisierte zum Spiel der TSG gegen die Bayern einen „Bayerischen Tag“ und fragte freundlich nach Hoeneß-Würstchen: „Wir wollen den FCB abkochen.“ Die Wurstfabrik zeigte sich spendabel – und so trafen in Kreuzberg 50 original bayerische „Nürnberger“ auf die Ber- liner Baden-Fans. Ein Widerspruch? Der Exil-Exot zitiert Kurt Tucholsky: „Alles ist richtig, auch das Gegenteil.“
FANCLUB
„FC 1899 BERLINXBERG“
Gegründet: März 2008 Mitglieder: 26
Internet: www.fc1899berlinxberg.de
Verein
   SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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