Page 72 - Spielfeld_Oktober_2015
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 DAS WUNDER VON ST. LEON-ROT
Die Woche in St. Leon-Rot war voller Emotionen und großartiger Erlebnisse, rund 70.000 Zuschauer sorgten oft für eine Atmosphäre wie in einem Fußball-Stadion. Und der 14. Solheim Cup förderte absolute Topleistungen von 24 der weltbesten Golferinnen zu Tage. Die große Spannung über drei Tage gipfelte am Ende in einem denkbar knappen Sieg für das US-Team.
       Deutsches Duo in St. Leon-Rot: Caroline Masson (l.) und Sandra Gal.
Die Schlagzeile über das „Wunder von St. Leon­Rot“ machte auf der Golfanlage die Runde. Natürlich war nicht das Wasser, das den Solheim Cup hartnäckig in Form von Regen begleitet hatte, zu Wein geworden. Das Wun­ dersame bezog sich auf eine nicht mehr für möglich gehaltene Aufholjagd. Den großen Kontinentalwettkampf gegen die Golferinnen aus Europa entschieden die Amerikanerinnen mit dem knappsten aller Ergebnisse für sich – mit einem 14,5:13,5. „Es ist einfach unglaublich“, jubelte US­Kapitänin Juli Inkster nach dem Finale. „Ich bin so stolz auf mein Team. Wir haben nie aufgegeben, jede Spielerin hat an sich und die anderen geglaubt. Das ist es, was ein Team ausmacht.“
Dabei schien der dritte Gesamterfolg in Serie für Europa gegen die große Golfnation USA zum Greifen nahe. Am Sonntagmor­ gen mit dem Abschluss der Foursome­ und Fourball­Wettspiele hatten die europäischen Spielerinnen noch mit 10:6 in Führung gelegen. Lediglich vier Zähler aus zwölf Partien wurden für die Titelverteidigung benötigt. Doch in den Einzeln drehten die US­Ladys um Michelle Wie und Lexi Thompson vor 29.000 Zuschauern am Schlusstag die Partie. 70 Birdies gelangen den
Amerikanerinnen, als sie die benötigten 8,5 Punkte holten. Es war die größte Auf holjagd in der Geschichte des Solheim Cups. Nur beim Ryder Cup, dem weltberühmtem Turnier der Herren, das im gleichen publikumsfreundlichen, extrem spannenden Format ausgetragen wird, war schon zweimal ein 6:10­Rückstand aufgeholt worden. 2012 machte das „Miracle in Medinah“ Schlagzeilen, an dem Martin Kaymer so großen Anteil hatte.
Caroline Masson hatte den Sieg auf dem Schläger
Der Solheim Cup ging also zum ersten Mal seit 2009 wieder in die USA. Der Gesamtstand im Solheim Cup lautet vor der nächsten Ausgabe, die 2017 in Des Moines (Iowa) stattfindet, 9:5 für die USA. Auch Sandra Gal, die 30­Jährige aus Düsseldorf, und Caroline Masson, 26, in Gladbeck geboren, in St. Leon­Rot zur Profispielerin ausgebildet, verloren am Sonntag ihre Einzel­ spiele. Lokalmatadorin Masson wurde gewissermaßen zu einer tragischen Figur, denn für sie war es noch möglich gewesen, den fehlenden halben Punkt für den dritten Europa­Triumph zu holen. Ein 14:14 reicht im Solheim Cup für die Titelverteidi­ gung. Und diesen Titel hatten die Europäerinnen 2013 in Denver geholt. Zu diesem ersten Auswärtssieg auf amerikanischen Boden hatte Caro Masson mit wichtigen Punkten beigetragen.
Im Duell gegen Gerona Piller hätte die sympathische Sportlerin aus dem Ruhrgebiet mit einem Schlag als diejenige in die An­ nalen eingehen können, die für Europa den entscheidenden 14. Punkt vollendet hätte – doch ihr Drei­Meter­Putt ging etwa fünf Zentimeter rechts am Loch vorbei. „Caroline Masson verpasste den Heldenstatuts.“ Die Überschrift der Rhein­Neckar­Zeitung brachte den bitteren Moment exakt auf den Punkt. Hätte sie den Ball ins Loch gebracht – Piller gelang dies danach aus fast gleicher Entfernung – wäre Masson in die Fußstapfen von Martin Kaymer getreten. Der deutsche Weltklassegolfer hatte 2012 die Europäer mit seinem gelochten letzten Schlag zum Ryder­Cup­Triumph geführt.
Caroline Masson war untröstlich. Mit gesenktem Kopf und feuchten Augen verfolgte sie die Jubelszenen der US­Girls. „Das
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