Page 66 - Spielfeld_August_2015
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                  Die Anlage in St. Leon-Rot wird seit mehr als zehn Jahren immer zum beliebtesten Golfplatz der Republik gewählt.
Es ist eine Veranstaltung, die auch Nicht-Golfer in ihren Bann zieht. Rund 100.000 Zuschauer erwarten die Verant- wortlichen des Golf-Clubs St. Leon Rot an den Tagen vom 18. - 20. September zu diesem Event, das so völlig aus der Rolle fällt. Der Mannschaftswettbewerb soll der Sportart helfen, ihr Nischendasein zu beenden, sich zu öffnen für breitere Schichten. Der Golfsport steht vor einem wichti- gen Jahr, neben dem Solheim Cup fällt im Herbst auch die Entscheidung über die Ausrichtung des Ryder Cup 2022, um den sich Deutschland beworben hat. Im Sommer 2016 dann wird der Golfsport wieder olympisch. Zeit für den Auf bruch, raus aus dem Bunker.
Der Reiz liegt im besonderen Modus
Der Solheim Cup vor den Toren Heidelbergs ist da der erste Gradmesser. Die TV-Anstalten haben ihre Zurückhaltung bereits aufgegeben, der SWR überträgt 15 Stunden des Tur- niers live, sogar die ARD wird am Schlusstag eine längere Zeit direkt aus St Leon-Rot übertragen. Kein Wunder: Die Bilder versprechen großartig zu werden. Es wird ein Volksfest für die ganze Familie; dort, wo sonst gespannte Konzentration herrscht, wird es nun laut und impulsiv. Der besondere Reiz liegt wohl im Modus begründet.
Zwölf Europäerinnen treten erstmals auf deutschem Boden bei diesem Spektakel gegen zwölf US-Amerikanerinnen an. Gespielt werden insgesamt 28 Matches, für die jeweils ein Punkt vergeben wird. An den ersten zwei Tagen tritt man im Klassischen Vierer und Vierball-Bestball an, am letzten Tag werden zwölf Einzel gespielt. Der Knackpunkt beim Solheim Cup aber ist die Leistung bei den Vierern, die insgesamt 16 Punkte bringen und so anders sind als jene Einzel-Golfrun-
den, die Profigolferinnen ansonsten absolvieren. Klassischer Vierer und Vierball-Bestball sind zwei Formen eines „Dop- pels“: Im ersten Fall müssen die zwei Partnerinnen immer ab- wechselnd den gleichen Ball bis ins Loch spielen. Im zweiten Fall spielt jede der Damen ihren eigenen Ball, am Ende des Loches wird das beste Ergebnis gewertet.
In die Praxis übersetzt bedeutet dies: Spielt eine der Vierer- partnerinnen miserabel, badet die andere die Suppe aus. Sie zieht den Karren aus dem Dreck oder macht die Sache womöglich sogar noch schlimmer. Vierer-Matches beim Solheim Cup sind deshalb ein schwieriges Geschäft für die Team-Chefs. Die europäische Kapitänin Carin Koch und Juli Inkster aus den USA müssen die Charaktere ihrer Spiele- rinnen bewerten, wissen, mit wem sie sich gut verstehen und wem sie schon immer Probleme hatten. Großartige Individualisten sind eben nicht automatisch großartige Vierer-Partner, weshalb Tiger Woods zwar als größter Gol- fer der Historie gilt, in den Vierer-Matches beim Ryder Cup aber fast immer nur eine sehr mäßige Leistung zeigte.
Sein Gegenpart Annika Sörenstam, die erfolgreichste Gol- ferin der Geschichte, hatte deutlich mehr Team-Qualitäten. Die Schwedin, die in St. Leon-Rot als Assistenz-Kapitänin Europas eingesetzt wird, ist mit 11,5 erzielten Punkten die erfolgreichste Vierer-Spielerin aus Europa. „Ich könnte sie mit Mickey Mouse auf die Runde schicken, und sie würde den Punkt immer noch holen“, sagte ihre damalige Kapitä- nin Dale Reid. Sörenstam stand für vieles, was eine perfekte Solheim Cup-Spielerin ausmacht: Verlässlichkeit, Ruhe, Mannschaftsgeist. Allein der Job des emotionsgeladenen Antreibers lag ihr nicht.
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