Page 61 - Spielfeld_August_2015
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                 KRIEG IM KRAICHGAU UND UMGEBUNG
Der Zweite Weltkrieg hat in unserer Region tiefe Spuren hinterlassen. In einer Dokumentation, herausgegeben von Heimatverein Kraichgau e.V., hat Autor Karl-Heinz Häcker die Zahl der Kriegstoten mit 20.789 Menschen beziffert. Zum Vergleich: Die Einwohnerzahl im Jahre 1939 betrug 251.338 Menschen. Daran kann man ermessen, wie viel Leid und Elend mit dem Krieg auch in dieser Region verbunden waren. Stark betroffen war auch die Stadt Mannheim, deren Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg mehr als 150 Luftangriffe erleben musste – mehr als in jeder anderen Stadt des heutigen Baden-Würt- temberg. Am 16. Dezember 1940 wurde die Stadt von weit mehr als 100 Maschinen der britischen Royal Air Force erstmals aus der Luft angegriffen – es war das erste Flächenbom- bardement auf zivile Ziele in Deutschland. Der Angriff wurde als Vergeltung für den deutschen Angriff auf Coventry deklariert. Später folgte
der verheerende Luftangriff in der Nacht vom 5. auf den 6. September 1943. Ein großer Teil der Stadt wurde dabei zerstört. Ein Jahr später zer- störte ein weiterer Angriff auch das Mannheimer Schloss nahezu vollständig.
600, 700 Meter waren es bis zum Elternhaus, als der Alarm kam. Instinktiv legten sich Rüdiger Hopp und sein Freund zum Schutz an einen Abhang – für Dietmar Hopp aber gab es nur den kindlichen Instinkt: „Ich wollte heim zur Mutter.“ Er rannte los, noch heute, so fühlt es der 75-Jährige, habe
er „den Ruß vor Augen, der durch die Luft wehte“. Alles ist präsent. Furchtbar präsent: „Ich rannte zur Brücke, die über die Elsenz führt. Auf der anderen Seite lief ein Bauer davon. Dann hörte ich die Salve aus dem Jagdflieger, die den Bau- ern traf. Ich sah ihn stürzen. Am nächsten Tag kam die Ge- wissheit: Der Mann war tot. „Es war grausam“, sagt Dietmar Hopp. Dann schweigt er.
Man merkt ihm die Erschütterung an. Die Erinnerungen
der Kriegsjahre, das hautnahe Erleben von Tod, Armut und Zerstörung vergeht nicht – egal, wie erfolgreich der spätere Lebensweg verlaufen mag. Die Prägung bleibt. Ebenso wie die Erinnerung an die Tage, als plötzlich fremde Soldaten kamen. In den frühen Morgenstunden des 2. April 1945 besetzen Ein- heiten der 7. US-Armee den Ort. Und er, der junge Bub, riss immer instinktiv die Arme hoch – als Zeichen der Aufgabe. Die Infanteristen aber lachten nur und drückten ihm die Arme wieder runter. „Sie haben sich amüsiert.“ Doch die GI
standen auch im Hof des Hauses Hopp, dort, wo die deutsche Wehrmacht beim Rückzug einfach eine Panzerfaust abgestellt hatte. Die US-Amerikaner fürchteten Unheil. Wolfgang Hopp, damals 14, der älteste der drei Söhne, musste, eskortiert von den schwer bewaffneten GI, als menschliches Schutzschild dienen beim Durchsuchen des Hauses, weil sich die Alliierten ängstigten, es könnten sich deutsche Partisanen dort befin- den. „Dieses Bild meines Bruders, mit dem Maschinengewehr im Rücken; das lässt einen nicht mehr los.“
Die Geschichte seines Vaters
Der Krieg war vorüber im Kraichgau, einen Monat später, am 8. Mai 1945, auch im gesamten Land. Jener Tag, von dem in Deutschland lange niemand sagen mochte, ob es Kapitulation und Niederlage bedeutete oder eben eine Befreiung war, wie es Bundespräsident Richard von Weizsäcker 40 Jahre später stell- vertretend für das deutsche Volk formulierte. Für Dietmar Hopp zumindest stellten die US-Amerikaner alles andere als eine Ge- fahr da. „Das waren ja keine Feinde.“ Die Besatzer waren offen, freundlich, freigiebig, die Kinder in der Region bettelten um Kaugummis oder um die faszinierende Dose in den Händen ei- nes GI, in der man einen Schatz wähnte, und die sich dann doch nur als Schuhcreme entpuppte – eine herbe Enttäuschung.
SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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Im Jahre 1945: Einheiten der 7. US-Armee überqueren den Neckar bei Heidelberg
Region
  




















































































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