Page 53 - Spielfeld_August_2015
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                  In der Ruhe liegt die Kraft, heißt es. Wer einen stressigen Beruf hat, sucht in der Freizeit gerne mal ein stilles Plätzchen auf. Zum Beispiel einen Anglersee. In den Gewässern rund um Karlsruhe kann man durchaus auf Jürgen Ehrmann, den Trainer der TSG-Frauen, treffen.
D er 54-Jährige versucht, die Hektik des Trainer-Alltags hinter sich zu lassen. „Abschalten ist schwierig“, sagt Jürgen Ehrmann zwar, doch mit der Angel in
der Hand vergisst auch er mal Taktik und Training. Schon manchen dicken Fisch hat der Coach aus dem Wasser gezo- gen, einen 18 Kilogramm schweren Karpfen zum Beispiel oder jüngst einen großen Zander. „Den Karpfen habe ich aber wieder reingesetzt, schließlich kann er für viel Nachwuchs sorgen“, grinst Ehrmann.
Der Spagat zwischen Spaß und Schinderei
Abheben ist nicht seine Sache, und das hat er auch der Mannschaft eingeimpft. So eine gute Saison wie die letzte ist kein Selbstläufer. Und so wird in der Vorbereitung für die Spielzeit 2015/16 hart gearbeitet. Der Coach versucht stets den Spagat zwischen Spaß und Schinderei zu schaffen. Ab- wechslung müsse sein in den sieben langen Wochen, bis es endlich wieder losgeht. Die Neuzugänge machen einen guten Eindruck, das Team ist noch einmal im Schnitt jünger ge- worden. „Ein einstelliger Tabellenplatz“, das ist ein Ziel von Jürgen Ehrmann für das kommende Jahr. Ein weiteres ist,
Nachwuchs – darum
dreht sich viel in Jür-
gen Ehrmanns Leben.
Die Arbeit mit jungen
Talenten ist genau
sein Ding. Als er 2008
zur TSG kam, hatte er
schon Männerteams
und auch die KSC-Juni-
oren trainiert, war ba-
discher Auswahl- und
DFB-Stützpunkttrainer.
Die Arbeit mit jungen
Frauen war neu, doch
er meisterte sie vorzüg-
lich und tut es immer
noch. Der gebürtige
Karlsruher hat maßgeb-
lichen Anteil am fulminanten Erfolgsweg der Hoffenheimer Fußballerinnen. „Seit ich da bin, sind wir jedes Jahr ent- weder aufgestiegen oder haben die Vorjahresplatzierung verbessert“, sagt Ehrmann nicht ohne Stolz. In der Oberliga spielte die TSG im Jahr 2008, 2010 war sie bereits in der 2. Bundesliga. Drei Jahre später war die Bundesliga erreicht.
Es war nicht einfach nach dem Aufstieg in die Beletage des Frauenfußballs. Das Team musste lernen, teils deftige Nie- derlagen zu verdauen. Aber Jürgen Ehrmann findet stets die richtigen Worte. Lob und Tadel halten sich die Waage, was bei einem so ehrgeizigen Trainer durchaus bemerkens- wert ist. Die Weiterentwicklung der jungen Mannschaft liegt dem gelernten Berufsschullehrer am Herzen. Nach den vielen Gegentoren im Aufstiegsjahr schaffte er es, der Mannschaft Stabilität zu verleihen. Der sechste Platz in der letzten Saison ist ein Riesenerfolg und nur ganz schwer zu toppen. „Die ersten Vier – also Bayern, Wolfsburg, Frank- furt und Potsdam – werden da oben bleiben“, sagt Ehr- mann. Doch dahinter ist vieles möglich. Gerne vergleicht sich die TSG mit der SGS Essen, die vorige Saison Fünfter wurde. Dabei gewann Hoffenheim beide direkten Duelle.
„jede Spielerin weiter zu entwickeln“. Er sieht beim Team noch Poten- zial in allen Bereichen. Entscheidend ist für den Badener das komplette Trainer- und Funktions- team. „Ohne diese tollen Leute um mich herum wäre das Ganze niemals möglich. Wir haben viel Arbeit, aber auch un- heimlich Spaß zusam- men. Diese Balance zu finden, ist wichtig für gute Leistungen.“
Jürgen Ehrmann treibt selbst viel Sport. Im heimischen Neureut hat er sich im Keller ein kleines Fitnessstudio eingerichtet. Außerdem geht er gerne laufen. Sportlich ist er für jede Herausforderung zu haben, so jüngst beim Hei- delberger Rollstuhlmarathon, als er im Liegebike den Halb- marathon in weniger als einer Stunde absolvierte. „Mit den alten Kumpels Fußball zu spielen, dafür ist leider nur sel- ten Zeit“, bedauert Ehrmann, der es selbst immerhin zum Verbandsliga-Fußballer in Neureut gebracht hat. Trotz des Zeitmangels versucht er Zeit mit den Söhnen Tim (geboren 1987 und selbst Fußballer in Neureut) und Yannic (geboren 1992) zu verbringen. Und mit Lebensgefährtin Anja, mit der er im Juli Urlaub auf Sardinien gemacht hat, wo „Fuß- ball mal Nebensache war“.
Mit Tim hat er schon mehrere Angelurlaube gemacht, „es ist schön, mit den Jungs unterwegs zu sein“. Ein weiteres Hobby ist sein Motorrad, mit dem er bei gutem Wetter ger- ne zum Training nach St. Leon fährt. Dabei sollte man nur ans Fahren denken. Erst dort angekommen beschäftigt sich Jürgen Ehrmann mit seinen Spielerinnen – und das seit sieben Jahren mit ganzem Herzen.
Verein
  „Seit ich da bin, sind wir jedes Jahr entweder aufgestiegen oder haben die Vorjahresplatzierung verbessert.“ JÜRGEN EHRMANN
 SPIELFELD TSG 1899 HOFFENHEIM
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